Читать книгу Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie – Studienausgabe. Herausgegeben und ergänzt um Aufsätze, Primärbibliographie und Nachwort von Matthias Bormuth und Martin Vialon онлайн

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IV. Zur Figuraldarstellung im MittelalterMittelalterFiguraldarstellung im MA

Die figurale Deutung oder, um es vollständiger zu sagen, die figurale Auffassung des Geschehens hat nun bis ins Mittelalter, ja darüber hinaus, eine weite Verbreitung und tiefe Wirkung gehabt. Dies ist auch der Forschung nicht verborgen geblieben; nicht nur theologische Werke, die die Geschichte der Hermeneutik behandeln, sondern auch kunst- und literaturgeschichtliche Untersuchungen haben figurale Vorstellungen auf ihrem Wege angetroffen und sich mit ihnen auseinandergesetzt. Ganz besonders gilt dies natürlich für die Kunstgeschichte auf dem Gebiete der mittelalterlichen IkonographieIkonographie und für die Literaturgeschichte auf dem des mittelalterlichen geistlichen DramasDramageistliches. Doch ist das Eigentümliche des Problems, wie es scheint, nicht erkannt worden; die figurale oder typologische oder realprophetische Struktur wird von anderen, allegorischenAllegorie oder symbolischen Darstellungsformen nicht scharf unterschieden. Ein Ansatz findet sich in der lehrreichen Dissertation von T. C. GoodeGoode, T. C. über Gonzalo de BerceoBerceo, G. de, El Sacrifcio de la Misa (Washington, The Catholic University of America, 1933) und eine klare Erkenntnis des Sachverhalts, jedoch ohne Bezug auf grundsätzliche Fragen, bietet H. PflaumPflaum, H., der schon in seiner Schrift über die religiöse Disputation in der europäischen Dichtung des Mittelalters (Genève-Firenze 1935) auf das FiguralproblemMittelalterFiguraldarstellung im MA gestoßen war; er hat letzthin (Romania LXIII, 519ff.) auf Grund seines richtigen Verständnisses von figure einige vom Herausgeber mißverstandene altfranzösische Verse richtig interpretiert und den Text wiederhergestellt. Vielleicht ist mir anderes entgangen;41 eine grundsätzliche Behandlung der Frage dürfte es jedenfalls noch nicht geben, und doch scheint sie mir für die Erfassung der uns so schwer zugänglichen Mischung von Wirklichkeitssinn und Spiritualität, die das europäische Mittelalter charakterisiert, unentbehrlich.42 Die FiguraldeutungMittelalterFiguraldarstellung im MA ist bei den meisten europäischen Völkern bis ins 18. Jahrhundert wirksam gewesen; man findet ihre Spuren nicht nur bei BossuetBossuet, J. B., was selbstverständlich ist, sondern noch Jahrzehnte später bei den geistlichen Autoren, die GroethuysenGroethuysen, B. in seinem Buche über die Entstehung des bürgerlichen Geistes in Frankreich zitiert.43 Eine klare Erkenntnis ihres Wesens und damit eine klare Scheidung von verwandten, aber anders strukturierten Formen würde im ganzen das Verständnis spätantiker und mittelalterlicher Dokumente schärfen und vertiefen und auch im einzelnen manche Rätsel lösen. Sollten die Themen, die auf den altchristlichen Sarkophagen und in den Katakomben so häufig wiederkehren, nicht Auferstehungsfiguren sein? Oder, um ein Beispiel aus dem großen und bedeutenden Werke Males anzuführen, sollte die Legende der Maria Aegyptiaca, deren Darstellungen im Museum von Toulouse er beschreibt (a. a. O. p. 240ff.), nicht eine Figur des aus Ägypten ziehenden Volkes Israel sein und folglich ebenso zu deuten, wie man im Mittelalter allgemein den Psalm In exitu Israel de Aegypto deutet?


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