Читать книгу Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie – Studienausgabe. Herausgegeben und ergänzt um Aufsätze, Primärbibliographie und Nachwort von Matthias Bormuth und Martin Vialon онлайн

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O divina virtù, se mi ti presti

Tanto che l’ombra del beato regno

Segnata nel mio capo io manifesti!

Hier wird seine Dichtung als eine seinem Geiste eingezeichnete umbraumbra der Wahrheit charakterisiert, und seine Inspirationstheorie enthält zuweilen Äußerungen, die sich im gleichen Sinne erklären lassen. Das sind alles nur Andeutungen; eine Untersuchung, die das Verhältnis neuplatonischer und figuraler Motive in der mittelalterlichen Ästhetik zu klären versuchte, müßte auf breiterer Materialgrundlage aufbauen. Man wird aber aus diesen Ausführungen doch soviel entnommen haben, daß es sehr förderlich ist, die figurale Struktur grundsätzlich von anderen bildlichen Formen zu scheiden. Im groben kann man behaupten, daß die figurale Methode in Europa auf christliche, die allegorischeAllegorie auf heidnisch-antike Einflüsse zurückgeht, und daß auch die eine zumeist auf christliche, die andere eher auf antike Stoffe angewandt wird. Man wird sogar nichts Falsches sagen, wenn man die figurale AuffassungMittelalterFiguraldarstellung im MA als die überwiegend christlich-mittelalterliche bezeichnet, während die allegorische, die auf spätantike heidnische oder nicht innerlich christianisierte Autoren als Vorbilder zurückgreift, dann besonders hervorzutreten geneigt ist, wenn antike, heidnische oder doch stark weltliche Einflüsse erstarken. Doch sind solche Feststellungen zu allgemein und ungenau, da die Fülle der Erscheinungen, in denen sich während eines Jahrtausends die Kulturen durchdringen, solche einfachen Einteilungen nicht zuläßt. Schon sehr früh werden auch profane und heidnische Stoffe figural gedeutet; Gregor von ToursGregor v. Tours zum Beispiel benutzt die Siebenschläferlegende als Figur der Auferstehung, ganz ebenso wie sonst die Erweckung des Lazarus oder Jonas’ Errettung aus dem Walfisch in diesem Sinne gedeutet werden. Im hohen Mittelalter werden die Sybille, VergilVergil und die Gestalten der Aeneis, ja sogar Personen aus dem bretonischen Sagenkreise (z. B. Galaad in der Queste del Saint Graal) in die figurale Deutung einbezogen, und es entstehen die mannigfachsten Kreuzungen aus figuralenMittelalterFiguraldarstellung im MA, allegorischenAllegorie und symbolischen Formen. Alle diese Formen finden sich auch, auf antike so gut wie auf christliche Stoffe bezogen, in dem Werke, das die mittelalterliche Kultur abschließt und zusammenfaßt, der Göttlichen Komödie. Daß aber dabei grundsätzlich die figuralen Formen vorwiegen und für die gesamte Struktur des Gedichts entscheidend sind, will ich nun zu zeigen versuchen.

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