Читать книгу Anders Wirtschaften - Gespräche mit Leuten, die es versuchen онлайн

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Die Alltagspraxis schränkt den Möglichkeitsraum dieser Utopien in manchen Fällen rasch wieder ein, wie die Gespräche zeigen. Die Unterschiede in der Umsetzung der Zeitvorsorge in St. Gallen und Obwalden, aber auch die Geschichte von AutoTeilet/Mobility, lassen erkennen, dass mit der Institutionalisierung solidarischer Praxis auch die Routinen der Marktwirtschaft wie Buchhaltung, Bilanzen und Kontraktrecht Einzug halten. Die berechenbare Praxis liquidierender Transaktionen setzt sich gegenüber der informellen Praxis nichtliquidierender Transaktionen tendenziell durch. In Obwalden halten die Initiantinnen daran fest, für die geleisteten Stunden keine Sicherheit zu hinterlegen, also das Risiko einzugehen, dass jene, die heute helfen, morgen vielleicht nichts zurückbekommen, dass ihre Transaktionen letztlich nichtliquidierend sein können. In St. Gallen geht man dieses Risiko nicht ein. Die Stadt hinterlegt die geleisteten Stunden mit Geld, mit dem notfalls zukünftige Gegenleistungen eingekauft werden – und beschränkt aus diesem Grund die Anzahl Stunden, die in der Zeitvorsorge individuell angespart werden kann. Die Kommune Niederkaufungen und die Bewohnergruppe des Pappelhofs gehen am weitesten in ihren Anstrengungen, nichtliquidierende Transaktionen zu praktizieren. Sie haben das Gebot: «Du sollst nicht zählen»6 am stärksten verinnerlicht. Doch auch sie sind Kinder der Geldwirtschaft: In ihren Erzählungen manifestiert sich der in unserer Gesellschaft tief verankerte individualistische Habitus, der nach Georg Simmel nur in der Geldwirtschaft entstehen konnte.7


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