Читать книгу Handbuch der Poetik, Band 1. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Dichtkunst онлайн

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Ist in Goethes "Fischer" der erzählte Vorgang der Gegenstand, der um seiner selbst willen, wie die Handlungen der vorerwähnten Gedichte, nachgeahmt wird, oder ist es nicht vielmehr die vermittelst desselben hervorgebrachte, ganz bewegungslose, κατ' ἐξοχήν stationäre Stimmung des ohne alle bestimmte Empfindung, ganz gedankenbefreit dem träumerisch wiegenden Wohlgefühl des Elementes Hingegebenen? Und ist es mit dem "Erlkönig" etwa anders? Auch hier tritt das gegenständliche Interesse des Vorganges an und für sich völlig zurück hinter dem eigentlichen Zweck — τέλος — des Gedichtes, vermittelst dieses Vorganges die Nachahmung einer Stimmung zu erreichen. Sowie man diesen Schwerpunkt verrückt und als den "Gegenstand" der Nachahmung den Handlungsgehalt selbst ansieht — wie man das z. B. in den Schillerschen sogenannten Balladen durchweg tun muss — so ist man mitten in der philiströsesten Plattheit. Dort handelt es sich in der Tat um die Selbstüberwindung des Johanniter-Ritters, die einen schwereren Kampf verlangt als den Kampf mit dem Drachen, um die durch Ehre und Liebesgewalt bis aufs höchste gesteigerte Kühnheit, welche den äußersten, kaum überwundenen Schrecken todverachtenden Trotz bietet, um die felsenfeste Treue, die, in der Gefahr die heilige Verpflichtung nicht einlösen zu können, die erschöpften Kräfte bis ins Wunderbare zu erhöhen vermag —; dieselbe Betrachtungsweise auf den "Erlkönig" angewendet lässt als einzigen Inhalt das Verderbliche übrig, mit einem zart nervösen Kinde nachts bei starkem Winde durch den Wald zu reiten. Seinen Sinn und seine mächtige Wirkung hat das Gedicht schlechterdings nur als die vermittelst eines zu diesem Zweck erfundenen äußeren Vorganges verkörperte Nachahmung psychischer Stimmungsgewalt. Das gleiche findet beim "Hochzeitslied des Grafen" statt; hat dort das geheimnisvolle Grausen des nächtlichen Waldes einen dämonischen Ausdruck gefunden, so ist hier das gemütlich liebevolle Behagen an der altererbten, durch die Tradition geheiligten häuslichen Heimat zu freundlich-heiterer Fiktion verdichtet. Derselbe Nachweis lässt sich ebenso für die "wandelnde Glocke" führen und für den "Zauberlehrling", diese klassische Darstellung der Ruhe und Erfolgssicherheit, mit der das seiner Kraftfülle sich bewusste Genie gegenüber dem Fiasko der pfuschenden Lehrjungengeschäftigkeit in seine Rechte tritt; und so die ganze Reihe der Goetheschen Balladen durch.

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