Читать книгу Handbuch der Poetik, Band 1. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Dichtkunst онлайн

84 страница из 101

Man vergleiche auf alle diese Kennzeichen hin nicht allein Stücke wie "Herr Oloff", "Wassermann", "Ulrich und Ännchen", sondern auch solche wie "Das nussbraune Mädchen", "Das Lied vom jungen Grafen", "Die Nonne", "Vom eifersüchtigen Knaben", oder "Das Lied vom Pfalzgrafen oder dem grausamen Bruder", "Graf Friedrich" und unzählige andere, während solche wie "Albertus Magnus" oder "Die Herzogin von Orlamunt" in ihrer Breite und Umständlichkeit und freilich auch in ihrer ganzen sonstigen Haltung schon die deutlichen Spuren einer ihres Zieles nicht mehr gewissen Kunstrichtung tragen.1 Ein sehr interessantes Beispiel ist Bürgers "dem Altenglischen nachgedichtete" Ballade "Graf Walter", welche zwar alle Merkzeichen der echten Volksballade an sich trägt, aber durch die übel angebrachte Sorgfalt des alle Gelegenheit zum Effekt ausnutzenden Dichters allenthalben in epische Breite gewandelt und mit störendem Detail belastet.

Eben wegen seiner Anlehnung an den alt-englischen Volksgesang ist Bürger in einigen seiner Dichtungen der echten Balladen nahe gekommen, doch bleiben auch diese auf der Grenze stehen. Der "wilde Jäger" ist solch ein Stück; wie die Sage jener fürchterlichen Ausartung der Jagdlust entsprungen ist, die unter all seinen unerträglichen Lasten den mittelalterlichen Bauernstand am heftigsten empörte, so ist es dem Dichter in der Tat gelungen, jenen bis zum grausigen Wahnwitz erhitzten, wildesten Frevelmut in ergreifender Nachahmung darzustellen, aber doch nur an einzelnen Stellen. Statt nach dieser einzigen Richtung auf sein Ziel loszugehen, hierzu alle stärksten Züge, in kürzester Andeutung zusammengedrängt, zu vereinigen, alles andere ganz fortzuwerfen oder höchstens durch ein Wort dem Hörer ins Gefühl zu rufen, bringt er neben der ausgeführten Haupthandlung noch eine ganze Reihe von Nebenhandlungen in nachdrücklich eingehendstem Vortrage vors Auge und zerstreut damit das Interesse nach den verschiedensten Gesichtspunkten, so dass in solchem Zusammenhange der breit moralisierende Schluss freilich nichts Auffallendes mehr hat, so sehr er dem Wesen der Ballade widerspricht.

Правообладателям