Читать книгу Handbuch der Poetik, Band 1. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Dichtkunst онлайн

85 страница из 101

Auch die "Lenore" verdankt ihre weit hervorragende Stellung dem vorwiegend lyrischen Stimmungscharakter und Sangeston des Ganzen, dessen schattenhafte Vorgänge, ganz ohne eigentliche (innere) Handlung, nur Seelenzustände zu vergegenwärtigen dienen sollen. Will man recht klar erkennen, was das bedeutet, so vergleiche man mit diesen Gesängen Stücke wie die "Entführung" ("Knapp', sattle mir mein Dänenross") oder "Des Pfarrers Tochter zu Taubenhain," oder "Das Lied von Treue," in welchen in der Tat Handlung, und zwar um ihrer eigenen epischen Bedeutung willen, bei dem letztgenannten vielleicht wegen der anekdotenhaften Schlusswendung, nachgeahmt ist. Aber dennoch! wie weit steht auch Bürgers "Lenore" von der alt-schottischen Ballade ab, welche einen ähnlichen Inhalt, die todbringende Gewalt bis ins Grab getreuer Liebe, unendlich viel reiner, tiefer und wahrer ausdrückt. Es ist das schöne Lied "Wilhelms Geist" in Herders "Stimmen der Völker", das achte im dritten Buche:


Da kam ein Geist zu Gretchens Tür

Правообладателям