Читать книгу Handbuch der Poetik, Band 1. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Dichtkunst онлайн

90 страница из 101

Nicht die Liebesempfindung selbst ist in der schönen Ballade dargestellt, sondern die Gesamthaltung des Gemütes und Charakters gegenüber dieser Empfindung ist ihr Gegenstand; wie in den unzähligen Balladen, in denen von Liebesverhältnissen gesungen wird, es sich in gleicher Weise nirgends um den bloßen Empfindungsausdruck handelt, der die Sache des lyrischen Liedes ist, sondern überall um die Nachahmung des so vielfach unterschiedenen "ethischen" Verhaltens gegen jene Leidenschaft, von Treue und Untreue, Eifersucht und felsenfestem Vertrauen, Ernst und Leichtfertigkeit, selbstvergessener Demut und stolzester Strenge, grenzenloser Hingebung und heroischem Entsagen und wie die zahllos wechselnden Zustände des menschlichen Geistes und Herzens alle benannt werden mögen.

Das also ist jenes Dritte, womit neben den "Handlungen" und "Empfindungen" der Kreis der für die Künste vorhandenen Gegenstände sich schließt: Stimmungen, Gemütsarten, aber auch zugleich Gemütszustände, ja Charakterbeschaffenheiten. Wie schon oben bemerkt, die deutsche Sprache hat keine scharf begrenzte, alle diese verwandten Begriffe unter einer klar bestimmten logischen Kategorie versammelnde Bezeichnung ausgeprägt, aber die griechische besitzt eine solche in dem Begriff des "Ethos", welcher alle jene Äußerungen der Seelentätigkeit umfasst.

Правообладателям