Читать книгу Kunst des Lebens, Kunst des Sterbens. Wie wir den Traum von Ich und Welt mit Achtsamkeit, Mitempfinden und offenem Gewahrsein meistern und befreiende Luzidität erlangen können онлайн
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Aus der Realisation der Vergänglichkeit unsrer momentan privilegierten Situation kann spontan eine große Wertschätzung für die Kostbarkeit der menschlichen Verkörperung und für die Lebenszeit entstehen, die uns noch vergönnt ist. Besonders das vierte Lebensalter, bei uns mit dem schönen Wort »Ruhestand« umschrieben, ist bei den Indern traditionell der spirituellen Praxis und der Loslösung von allem Weltlichen gewidmet. Die Pflichten und Gedanken eines Haushaltsvorstands werden dann bewusst losgelassen, der Besitz vorab verteilt; und sich von allem Angenommenen und Unnötigen entledigend, kann man in aller Ruhe und Beschaulichkeit die geistige Armut verwirklichen, welche Jesus als selig gepriesen hat und die darin besteht, dass man nichts mehr hat, nichts mehr will und nichts mehr weiß. Der Ruhestand ist für diese Loslösung, für dieses »Sterben vor dem Sterben«, wirklich ideal, wenn man den tiefen Sinn der Geistesschulung verstanden hat.
Könnte es eine bessere Einstimmung auf den Tod als die endgültige Erlösung vom Körper und vom Ich in der Verschmelzung mit dem klaren Licht am Ende des Sterbeprozesses geben, als sich schon vorher darin zu üben, alle Anhaftung aufzugeben und in tiefer Entspannung jede Vorstellung von Körper und Geist abfallen zu lassen? Wie sonst könnte Erlösung geschehen?