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Wenn die Tante die von Suschen im Spitzenkarton eingeschmuggelte seidene Schürze bemerkt, und sie hervorziehend frägt: »Wie kommt denn die Schürze in den Karton?« — waren wir gewohnt, die Neumann keck antworten zu hören, indem sie die Tante dabei durchaus nicht schüchtern anblickte: »Wie kann man so vergesslich sein! Du hast sie ja selbst hineingelegt!« Lindner-Suschen löste verlegen den am Arm hängenden runden Strohhut, setzte ihn auf, und den Schirm ein wenig ins Gesicht drückend — belog sie zum ersten Mal ihre Wohltäterin leise — zitternd und vermochte nicht, der Tante dabei ins Auge zu sehen! — und so folgten unzählige Gemüts- und Charakterblitze …

Auch in höheren dramatischen Aufgaben leistete die Lindner Großes! Sogar als stummer Viktorin in »Waise und Mörder« wusste sie durch ihre Mimik zu bezaubern. Sie gab keinen sentimentalen Jüngling, kostümiert wie der Page in Figaros Hochzeit, den Tituskopf zierlich frisiert. Im dunklen Anzuge, der sie schlank erscheinen ließ, die Künstlerlocken zurückgestrichen, trat dieser Viktorin festen Schrittes auf, die Augen, wie im Fieber glühend, suchten überall nach dem Mörder seines Vaters … Man sah einen jugendlichen, energischen Künstler, der mit seinem Meißel schon das Andenken des teuren Vaters verewigte. Und als sie Raimbauts endlich erkannte, standierte sie nicht, wie viele Gefeierte, nachdrücklich: »Dies ist der Mörder meines Vaters!« — nein, nach neunjährigem Verstummen rang sich ein Herz und Mark erschütternder Schrei: »Mörder — Vater!« — gewaltsam — krampfhaft aus der gequälten Brust … und Victorin brach zusammen …«

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