Читать книгу Nicht Anfang und nicht Ende. Roman einer Rückkehr онлайн

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Nach dem Unglück in Roseto sang unsere Mutter nicht mehr, weder in der Kirche noch sonst wo, außer an der Wiege, um die Kleinen einzuschläfern; dann stand ich hinter der Tür und lauschte, und in Amerika hat Antonio mir gestanden, dass er es ebenso machte. Von da an brachte sie es auch nicht mehr über sich, die toten Kinder anderer Leute anschauen zu gehen, und wenn die Glocken zum Begräbnis einer unschuldigen Seele läuteten, lief sie davon und schloss sich in die Stube ein. Offen gesagt, auch mich macht das Gebimmel, das sie bei einem Kinderbegräbnis veranstalten, noch heute so entsetzlich traurig, dass ich mich unter die Erde verkriechen möchte, um es nur nicht mehr zu hören.

Heutzutage mag es übertrieben klingen, aber damals starb man im Dorf öfter durch einen Un­glücksfall als auf natürliche Weise. Ganz abgese­hen von den armen Teufeln, die im Handumdrehen von Grippe, Lungenentzündung, galoppierender Schwind­­­­sucht oder Blinddarmentzündung hinweggerafft wurden, wobei der Arzt regelmäßig zu spät kam, muss man wirklich sagen, dass wir die steilsten Berge der Welt hatten; wir haben sie noch immer, aber heute ist es doch ein anderes Arbeiten. Oben auf der Alp ließen jedes Jahr ein paar Leute das Leben, und immer traf es uns, die Jungen. Die Alten blieben, wie es ja richtig war, beim Milchkessel, und wir mussten hinter den verirrten Ziegen her die Felsen hinaufkraxeln, bei gutem wie bei schlechtem Wetter. Diejenigen, die nicht auf die Alp zogen, hatten das Heuen auf den Überhängen zu besorgen, was um nichts weniger gefährlich war, besonders wenn der Moment kam, in dem man das Netz ins Tal hinunterwarf*. So musste die arme Arcangela, die am Fuß der Felswand wartete, mit ansehen, wie ihre Tochter vor der Heuladung unten anlangte. Und dann gab es Erdrutsche und Lawinen und das Hochwasser, das Felder, Ställe, Vieh und manchmal auch Menschen forttrug, wie damals die beiden Marca aus Bolla, die man einen Monat später unter dem Schlamm entdeckte, weil die Krä­hen unaufhörlich über dieser Stelle krächzten. Ich erinnere mich so genau daran, weil es unser Großvater Benvenuti war, dem die Unglücksvögel auffielen. Er war nach der Katastrophe ein paar Mal vorbeigekommen, und ständig hockten sie auf dem Balken, der im Schlamm steckte, ohne jemals weit wegzufliegen, so scheu sie sonst auch sind. Großvater ging es den Verwandten der Marca sagen. Man grub dort nach und tatsächlich, beim vierten Schlag der Hacke fand man die beiden alten Frauen.

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