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«Es läßt sich in der Presse genau verfolgen», sagte Severin mit einem Achselzucken. «Die ‹Germania› hat vorgestern wieder klipp und klar erklärt, was jetzt in Rußland geschieht; die Meldung ist auch von unserer Agentur gebracht worden.»
«Übrigens», fuhr Ammann fort, «was man von diesem Herrn Suchomlinow hört, dem russischen Kriegsminister, klingt deutlich genug. ‹Wir sind bereit!› erklärt der Kriegsminister, und das russische Heer ist nach seiner Überzeugung ganz einfach unüberwindlich …»
Auf diese Art ging es noch eine Weile fort, aber schließlich kamen zwischen einzelnen Tischnachbarn wieder friedlichere Gegenstände zur Sprache. Ammann gab sich, strahlend vor Zufriedenheit, bei aller Teilnahme an der Unterhaltung doch in behaglicher Breite dem Genuß der guten Dinge hin, und gelegentlich, während er verständnisvoll kauend die mächtigen Kinnladen bewegte, nickte er seiner Frau anerkennend zu. Frau Barbara saß zur Rechten ihres Mannes, oder vielmehr thronte sie dort, aufrecht, wachsam und immer bereit, das Gespräch zu lenken, dem Aufwartmädchen einen Wink zu geben, einen Gast zu ermuntern. Nichts entging ihr, und was sie besonders zu sehen wünschte, zeigte ihr der hohe, in einen schmalen Goldrahmen gefaßte Wandspiegel, dem sie schräg gegenüber saß. Gertrud, fand sie, brachte ihre Gestalt in dem einfachen blauen Abendkleid mit dem breiten, nicht sehr tiefen Ausschnitt anständig zur Geltung; dieser Ausschnitt entsprach ihren geraden, breiten Schultern, die zum kräftig schlanken, bestimmt ansetzenden Hals beinahe im rechten Winkel standen. So etwas durfte man zeigen. Das Haar trug sie wie immer in mäßig hohen, lockern Wellen, die beide Schläfen frei ließen. Sie sah hübsch aus neben ihrem Mann, der seinerseits jeden Vergleich aushielt, und zwar nicht nur hier. Mama war überzeugt, daß es in der ganzen Stadt Zürich ein so vornehmes, stattliches Paar nicht zum zweitenmal gab, und sie wäre zuversichtlich, ja glücklich gewesen, wenn sie die sichern Anzeichen des Unheils jetzt nicht mit eigenen Augen wahrgenommen hätte. Hartmann benahm sich hier seiner Frau gegenüber so liebenswürdig, wie man es nur wünschen konnte, aber Gertrud schien das kalt zu lassen, sie sprach mit ihm offenbar kein Wort mehr als nötig war. Auf ihrem sympathischen, nicht ganz vollkommenen Gesichte lag, durch ihre angeregte Lebhaftigkeit und das vielfach gespiegelte Licht hervorgerufen, ein lebendiger Glanz, der es schön machte, aber wenn sie ihrem Mann antworten mußte, wich dieser Glanz für Augenblicke einer kühlen Gleichgültigkeit. Sobald sie sich dann wieder mit Albin Pfister unterhielt, ihrem Nachbarn zur Rechten, strahlte sie vor liebenswürdiger Anteilnahme, ja vor Herzlichkeit.