Читать книгу Schweizerspiegel. Roman онлайн
124 страница из 246
Frau Barbara spürte eine flüchtige Regung von Stolz, aber im Tiefern blieb sie unberührt. Sie dachte nicht daran, etwas zu verkörpern, sie hielt sich an die unmittelbare Wirklichkeit, in der sie lebte, und schaute diese Wirklichkeit viel nüchterner an als die fabelnden Männer. Das Gerede von zerfallender Form, von Zukunft und wachsender Tradition lenkte ihren Blick nicht vorwärts, sondern zurück, und statt von heiterer Zuversicht war sie von der trüben Ahnung erfüllt, daß hier eher etwas ende, eine Ammannsche Epoche sozusagen, eine glänzende Epoche, deren Fortsetzung auf jeden Fall problematisch geworden war. «Redet ihr nur, aber verkauft sind wir halt doch!» dachte sie.
Dagegen geriet Ammann selber in eine sehr gehobene Stimmung. Er konnte in diesem Augenblick seine Hochachtung vor Hartmann nicht verbergen. «Albrecht!» rief er schallend, mit strahlender Miene, schwenkte ihm weit ausladend das schäumend volle Glas entgegen und trank es auf einen Zug aus. Gleich darauf begann er zu reden, während ihm der Schwiegersohn das Glas wieder füllte. «Wir wollen in dieser Stunde nicht nur an uns denken, meine Lieben», rief er mit heiterer Überzeugung, «sondern an die Gesamtheit des Vaterlandes. Wir dürfen mit uns zufrieden sein, es ist wahr, und wir sind stolz darauf, aber wir wollen nicht vergessen, wem wir alle unser Wohlergehen und unsere Sicherheit zu verdanken haben. Von der Zukunft des Vaterlandes, die ihrerseits in der allgemeinen Zukunft beschlossen liegt, hängt auch die unsere ab. Die allgemeine Zukunft aber würde uns wohl ebenso staunenswert vorkommen wie unsern Vätern oder Großvätern die Gegenwart. Die Entwicklung geht weiter, und mag es auch gelegentlich zu vorübergehendem Stillstand kommen, ein Rückfall ist nicht mehr denkbar, der Fortschritt ist unaufhaltsam, der Weg liegt vor allen Völkern offen. Im Glauben und Vertrauen auf diese Zukunft wollen wir unsere Gläser leeren!»