Читать книгу Kindheit in der Schweiz. Erinnerungen онлайн

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Es ist schwer, das Gefühl zu beschreiben, das Menschenherzen ergreifen kann, wenn über dem Land die Abendglocken erklingen, die Frieden und Geborgenheit, Ruhe und auch Dankbarkeit verkünden. An solches dachte ich aber nicht, als ich an einem Samstagabend sehr früh schon vor der Kirche auf den Sigrist wartete. Diesmal lungerte ich nicht herum wie bei meinem früheren Wunsch zum Heustampfen; diesmal stand ich am richtigen Ort, beim Seiteneingang neben dem grossen Kirchenportal, der in den Glockenturm führte. Es klappte ausgezeichnet, der Sigrist sah mich schon, als er den Weg hinauf um den Rank kam. Bei mir angekommen, blieb er einen Moment stehen, schaute mich an und fragte: «Bist du der neue Helfer?» Ich konnte noch immer nicht richtig antworten; dafür nickte ich mit dem Kopf umso heftiger.

Der Sigrist, der mit noch drei anderen Männern gekommen war, öffnete die kleine Türe, und zusammen stiegen wir die hölzernen Treppen hoch, bis zum Seilboden. Von dort aus konnte man über dem Gebälk die vier Glocken hängen sehen. Von jeder baumelte ein starker Strick herab, der unten einen dicken Knoten hatte. Ich bekam die kleinste Glocke zum Läuten. Vor Aufregung wollte ich schon meinen Strick in die Hand nehmen. Der Sigrist nahm ihn mir aber aus der Hand und meinte, zuerst müssten mir ein paar wichtige Dinge erklärt werden: «Das Seil», sagte er, «muss immer angespannt sein, die Hände müssen mit dem Seil mitgehen, und das Ziehen muss gleichmässig erfolgen. Nie, aber auch gar nie, darf das Seil um den Körper gewunden werden; das könnte einen schweren Unfall verursachen.» Ich weiss nicht, ob ich alles richtig verstanden hatte; meine Gedanken waren schon viel weiter, beim Dröhnen, das nun bald oben im Glockenstuhl losgehen würde. Es musste nun noch der Sechsuhrschlag abgewartet werden. Auf die Minute genau schlug es zuerst vier Mal «bim-bam», dann ertönten von der grossen Glocke die sechs schweren, dumpfen Schläge.

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