Читать книгу Cap Arcona 1927-1945. Märchenschiff und Massengrab онлайн
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Die Hamburger Reederei jedoch, ausgerichtet auf ein internationales Publikum, verzichtet auf ihrem neuen Flaggschiff auf nationalistisches Gehabe – im Gegensatz zur italienischen Konkurrenz, die sich mit der faschistischen Hymne Giovinezza unbeliebt machte. Einem Deutschchilenen, der auf dem Luxusliner der Hamburg-Süd die deutsche Hymne vermisst, hält der Reisejournalist entgegen: «Aber die Schifffahrt ist eben ein kaufmännisches Unternehmen und kein vaterländischer Frauenverein. Auf der Cap Arcona sind Völker aller Zungen, wenn auch meistens sieben Achtel Argentinier. Andere Schiffe haben durch Nationalhymnen, wie Giovinezza usw., die Passagiere verdrängt und müssen oft mit einer Handvoll Fahrgästen, die kaum das Schmieröl bezahlt machen, in See stechen.»
Der Cap Arcona gelang es auf Anhieb, sich auf dem Südatlantik im attraktiven Segment der Luxusschifffahrt zu etablieren. Der Schnelldampfer mit den drei rotrandigen Schornsteinen wurde, mehr noch als die ältere Cap Polonio, zum Lieblingsschiff der Superreichen aus Argentinien, Brasilien und Chile, meist Angehörigen von Familien, die im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu riesigen Ländereien kamen und sich durch die Produktion von Fleisch, Leder, Getreide oder Kaffee schier unermessliche Vermögen aneigneten. Von Carlos Bielefeld, seinem deutschchilenischen Gesprächspartner, der mit seinem Vater acht Monate lang die USA und Europa bereiste, versucht Albert Köhler die Größenordnung des Budgets zu erfahren, das Vater und Sohn für die Reise zur Verfügung stand: «Geben Sie mir doch einen Maßstab, das interessiert den deutschen Leser – ich denke so 50 000 Mark!» Bielefeld winkt ab: «Oh nein, das reicht bei weitem nicht!» Zuhanden seiner Leserschaft in Deutschland, wo Angestellte oder Arbeiter mit einem Monatslohn von rund hundert bis zweihundert Mark auskommen müssen, schätzt der Reporter das Reisebudget der beiden Chilenen schließlich auf eine halbe Million Mark.