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Ich frage Kommissar Grädel (der mich wieder zu einem Glas Bier eingeladen hat), was er darüber denke. Er hat eine Art, auf gewisse Fragen mit einem Lachen zu antworten, als wäre sein Beruf eigentlich eine heitere Sache.
«Ja, ja, der Zufall», sagt er. «Kann manchmal sehr merkwürdig sein, hat oft etwas Mysteriöses, wie ein Wink aus dem Unbekannten. Ich bin zwar nicht sehr gläubig, aber manchmal frage ich mich doch, woher die Zeichen kommen.»
***
Ich habe nicht die Absicht, in diesem Bericht mich selbst darzustellen. Die viel gerühmte Selbsterkenntnis – ich glaube nicht daran. Und sogar wenn wir sie hätten, was würde sie uns nützen? Wichtig ist nur, dass wir uns selbst akzeptieren, so wie wir sind, mit allen Schwächen und Fehlern. Letzten Endes eine Frage der Gerechtigkeit uns selbst gegenüber.
Auch ich hatte meine Jugendträume. Vor allem einen: Konzertpianist. Ich sah mich auf dem Podium, ruhig am Instrument sitzend, ohne in den Tasten zu wühlen, ohne wie die Russen mit den Armen zu fuchteln, ohne die Grimassen von Alfred Brendel, ohne wie Glenn Gould halblaut mitzusingen. Ich spielte Bach, zum Beispiel das archaisch stille Präludium in es-Moll, oder «Nun kommt der Heiden Heiland». Mein Ideal war Dinu Lipatti. Die verhaltene Spannung, mit der er zum Beispiel jenes Nocturne in Des-Dur von Chopin spielte, als Zugabe; jemand hatte das am Radio aufgenommen, wobei man aus einem störenden Nebenkanal die Stimme einer hastig redenden Frau hört; ich frage mich, wer war diese Frau und was hatte sie so dringend zu sagen. Sonst kann man bei Tonträgern störende Geräusche entfernen, doch diese Stimme liess sich offenbar nicht ganz löschen. Man versteht zwar kein Wort, doch im Hintergrund ist sie immer da, wie für immer mit Lipatti verbunden. Er selber, unersetzlich wie wenige, starb erst 33-jährig, an Leukämie. Auserwählte, die zu früh dahingehen.