Читать книгу Hannes. Roman онлайн

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Ich begann, mich für Theologie zu interessieren, besuchte mit ihr ein Kolleg über Jeremias, tags darauf eine Doppelstunde Heinrich von Kleist. Ich betrat beizeiten den Hörsaal, besetzte jeweils einen Platz neben mir, sah dann, wenn sie mit andern hereinkam, wie sie mich mit den Augen suchte und je nachdem leicht mit der Hand winkte. Manchmal wanderte ich durch das Gebäude, in der Hoffnung, irgendwo zufällig auf sie zu treffen. Einmal lud ich sie zu mir nach Hause ein, spielte ihr auf ihren Wunsch etwas vor. Dass sie nachher, kaum dass wir eine Tasse Tee getrunken hatten, gleich aufstand und sich verabschiedete, fand ich bei ihr nicht ungewöhn­lich.

Obwohl wir uns zweimal wöchentlich sahen, korrespondierten wir miteinander. Ich schrieb ihr jeweils am Donnerstagabend, sie erhielt meine Post am Samstagmor­gen, ich die ihrige am Montag. Als ich ihr einmal mein Leiden an meiner nicht gerade vollkommenen Körper­lichkeit beichtete, antwortete sie mit einem sehr schönen Brief, versicherte mir, meine angebliche Unzulänglichkeit sei reine Einbildung, und im Übrigen, das müsse ich ihr glauben, spiele das für sie nicht die geringste Rolle. Im Gegenteil, das mache mich nur menschlicher – das erinnere sie (jetzt dürfe sie es sagen) an den alttestamentlichen Jakob, der eine Nacht lang mit dem unbekannten Mann kämpfte, wobei ihm dieser Unbekannte das Hüftgelenk verrenkte, sodass er fortan hinkte. Aber er hatte Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen!

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