Читать книгу Zorn und Freundschaft. Max Frisch 1911-1991 онлайн

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Daß die meisten Schweizerinnen und Schweizer die faschistische Bedrohung damals noch nicht als gefährlich empfanden, hat verschiedene Gründe. Entscheidend dürfte gewesen sein, daß manche Ideen der neuen Bewegung nicht einfach als ausländisches »Zeugs«, sondern durchaus als gut vaterländisches und auf dem eigenen Mist gewachsenes Gedankengut empfunden wurden. Mitte der dreißiger Jahre erreichten nämlich einige Entwicklungen ihren Höhepunkt, deren Wurzeln fünfzehn und mehr Jahre in die Schweizer Geschichte zurückreichten. Ökonomische und soziale Umbrüche im Gefolge des Ersten Weltkrieges führten nach 1918 auch in der Schweiz zu schweren Spannungen. Im Generalstreik von 1918 und in den folgenden Landesstreiks – sie wurden durch Armee und militante Bürgerwehren niedergeschlagen – wehrten sich die unteren Schichten gegen ihre zunehmende Verarmung. Die Nachkriegskrise 1921/22 mit einem Rekord von über zehn Prozent Arbeitslosen verunsicherte die Bevölkerung tief. Durch den Übergang vom Majorz- zum Proporzwahlrecht im Jahr 1919 konnten die zentrifugalen Kräfte politisch zunächst aufgefangen werden. Der Freisinn, der seine absolute Mehrheit verloren hatte, schuf Bündnisse mit den Katholisch-Konservativen und den konservativen Kräften der neuen Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (bgb, heute svp). Ideen des Ständestaats, des Nationalismus, völkisches und patriarchalisches Autoritätsdenken bis hin zur Führerideologie, Ausländerfeindlichkeit, vor allem ein militanter Antisozialismus und Antikommunismus hielten das Bündnis zusammen und schufen geistige Brücken zu den faschistischen Kräften im In- und Ausland.

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