Читать книгу "Man treibt sie in die Wüste". Clara und Fritz Sigrist-Hilty als Augenzeugen des Völkermordes an den Armeniern 1915-1918 онлайн

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War sie zu einer so grundlegenden Lebensumstellung bereit? War es ratsam, zu Kriegszeiten ins Ungewisse zu ziehen? Würde sie es nicht später bereuen, wenn sie ihre vor nur wenigen Monaten erworbene und geliebte Stelle als Krankenschwester im Spital des heimatlichen Grabs aufgeben würde? Am 8. September 1914 schreibt Clara: «Das ganze Spitalglück auf einmal dahin … » Nach langem Schweigen, d.h. nach vielen leeren Abschnitten im Tagebuch, notiert sie am 26. September: «Trostloses Sich-nicht-entschließen-Können. Heute glaub ich bestimmt, Nein sagen zu müssen.» Doch nach dem dritten Brief von «Herrn Sigrist» mit der Nachricht, dass er «morgen komme», ändert sich alles. Am 30. September liest man schon zwischen den Zeilen Claras Ja-Wort: «Prachtsonnentag, und Fritz bringt die ersten Rosen.» Am 11. Oktober kommt Lis zu Besuch: «Lis bei mir. Das ganze Stübli voll Nelken und Rosen.» Und man muss annehmen, dass am 14. Oktober im Haus der Hiltys der Bund offiziell gefestigt wird, denn es heißt: «Fritz bringt Papa, Mama, Ida, Ruedi und Herbert mit ins Hüsli. Abends reise ich mit nach Netstal zurück.» Am nächsten Tag, dem 15. Oktober, wird die Verlobung von Clara und Fritz «beim Zivilstandesamt» angemeldet, und von da an bis zum Frühling 1915 wird nicht viel ins Tagebuch eingetragen. In den wenigen Notizen ist der Name Fritz meist präsent: gemeinsame Spaziergänge durch die malerische Werdenberger Gegend, Reisen durch das Heimatland, Konzertbesuche in Zürich, Visiten bei Verwandten u.a. Clara wirkt glücklich und ausgeglichen, ohne es ausdrücklich anzugeben. Erst im April 1915 beginnt Clara ihre regelmäßige Tagebuchführung. Es sind aufregende Zeiten, und alles ist emotional geladen: die Vorbereitungen für die Hochzeit und die bevorstehende große Reise in die Türkei. In diesem Lebensabschnitt braucht sie das Tagebuch. Ihre Einträge werden länger, der verfügbare Platz zum Schreiben reicht ihr nicht mehr, und ihre Handschrift verkleinert sich dort, wo sie möglichst viel unterbringen will. Unbeschriebene Flächen gibt es kaum mehr.

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