Читать книгу "Man treibt sie in die Wüste". Clara und Fritz Sigrist-Hilty als Augenzeugen des Völkermordes an den Armeniern 1915-1918 онлайн

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Die zweite Episode schildert, welcher unmenschlichen Behandlung der Polizeichef, der «Henkersknecht», wie Clara ihn nennt, eine kleine Gruppe von schwerkranken armenischen Frauen und Kleinkindern aussetzt. Clara und Fritz, nachdem sie der Gruppe Brot und Wasser verabreichen ließen, sind nun «präsent» bei der Gruppe und wollen helfen. Eine unverzügliche Hospitalisierung dieser armen Menschen ist erforderlich, und Fritz lässt für deren Transport Tragtiere kommen. Doch der türkische Polizeichef, der gerade vorbeikommt, schickt die Tragtiere weg. «Leute, die nicht 10 Schritte gehen können ohne umzusinken», schreibt Clara am 17. Juni 1916,«[will] man zum Aufbruch zwingen», damit sie sich zu Fuß zum Hospital schleppen. Erschüttert angesichts der Un­mensch­lichkeit, die «das eigene Herz in grausamer Wirklichkeit erlebt», wird Clara hier sehr kritisch, und erst an dieser Stelle wird es dem Leser bewusst, wie zurückhaltend die Autorin ansonsten ist.

Clara bedient sich der üblichen Handschrift ihrer Zeit, der Kur­rentschrift oder der «gotischen Handschrift» mit fließenden Abgrenzungen und ineinander verschlungenen Schriftzeichen. Ihre geradezu kalligrafische Handschrift der Briefe und des Augenzeugenberichts erweckt in ihrer schönen Gleichmäßigkeit den Eindruck einer gebildeten, organisierten und gepflegten Persönlichkeit. Das Tagebuch bietet meist ein anderes Bild: Die Zeilen, in al­ler Eile eingetragen, sind unregelmäßiger, schwieriger zu entziffern oder gar unleserlich. Aber der Aufwand für die mühsame Entzifferung erwies sich in jeder Hinsicht als lohnenswert, denn Claras Tagebuch ist ein historisch wichtiges Dokument, das mit dem Fortschreiten der Zeit immer schwieriger zu verstehen sein wird.

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