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Eines Tages, als Kathry uns eben eine schauerliche Geschichte von einem Geisterschloß erzählt hatte, verabredeten wir einen Besuch der «Susannenhöhle», welche in unferner Gebirgsschlucht von einem Felsgrat herabschaut. Der Bergvorsprung, welchem der Fels als Grundmauer dient, heißt Burgbühl und die Sage läßt ein schönes Burgfräulein darin gefangen sitzen, das durch Treubruch sich den ewigen Zorn des Burgherrn zugezogen. Da es unsern Vorfahren oft erschienen und namentlich mein Großvater als Knabe, beim Pflücken von Maiblümchen, so glücklich gewesen war, es zu sehen, so hegten wir den begreiflichen Wunsch, es möchte auch uns einmal erscheinen. Nun denke man sich unsern freudigen Schre­cken, als wir diesmal wirklich nicht umsonst hinaufschauten, sondern das Fräulein droben stehen und uns einen Gruß zuwinken sahen. Wir standen steif wie eine Pfahlreihe im Bach, das Wasser strudelte an unsere nackten Beine und leichte Kiesel trieben, ein kitzliges Gefühl erregend, über die Füße, während die Nachmittagssonne durch einen Bergeinschnitt sengende Strahlen auf un­sere unbedeckten Häupter abschoß. Das Fräulein trug ein dunkles Gewand, auch das Haupt war von oben bis auf die Augenbrauen mit einem schwarzen Zeuge bedeckt, das Gesicht schien blaß, was nicht befremden konnte an einem Wesen, das ganze Menschen­alter hindurch in einer Höhle zubrachte. Wir mochten etwa fünf Minuten sprachlos dagestanden haben, als die Erscheinung in die Höhle verschwand, woher nun aber im gleichen Augenblicke eine so schmelzend wehmütige Weise ertönte, daß uns vor Wonne und Seligkeit fast der Atem verging. Die Weise verlor sich bald in einzelne leise nachtönende Klänge und wir zogen glücklicher als Könige nach Hause, das Geschehene und Gehörte zu berichten. Aber bald nachher verriet Kathry unter vergnügtem Lachen, dass sie es über sich genommen, unsere Sehnsucht nach der Erscheinung des Burg­fräuleins zu befriedigen.

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