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Um mein achtes Jahr erschien das erste von den Büchlein Zellbergers, welches in der Mundart geschriebene Szenen aus dem Volksleben enthielt. Man riß sich um den Kalender, der einige Proben daraus mitteilte, und wer es verstand, diese in dramatischer Form gehaltenen Schilderungen des unmittelbarsten, wirklichsten Lebens verständlich vorzutragen, der hatte an fröhlichen Zuhörern keinen Mangel. In Grünau wurden sie besonders gut aufgenommen, weil, wie man wähnte, in einem der Stücke eine Grünausche Persönlichkeit mitspielte, mithin auch der Dialekt rein der Grünausche war. Peters Jakob brachte die erste Nachricht von ­dieser Novität zu uns und schalt den Verfasser scherzweise einen «Leckers­bub», der die Leute «mordsdings» auszuschänzeln wisse. Meines Vaters Neugierde hielt sich jedoch soweit in gemessenen Grenzen, daß er, zufällig bereits im Besitze eines neuen Kalenders, sich nicht so hoch verstieg, der lustigen Stücklein wegen noch für einen zweiten Kalender einen Batzen auszuwerfen, geschweige denn, das ganze Büchlein zu kaufen. Ich hielt daher bei Peters Jakob an, daß er es über sich nehmen wolle, mir das außerordentliche Vergnügen zu verschaffen, und er brachte mir wirklich das Büch­lein irgend woher geliehen. Freudig, bevor ich zu lesen anfing, setzte ich Susanna davon in Kenntnis, und da ich ihr weis machen konnte, daß diese Leserei mit der obligatorischen in der Schule nicht die geringste Ähnlichkeit habe, so verstand sie sich dazu, meiner Vorlesung beizuwohnen. Wie sehr aber täuschte ich mich über den Erfolg! Ich hatte das Idiom noch nie geschrieben gesehen und verstand durchaus nicht, es zu lesen. Die Stube war von Leuten ganz gefüllt, welche alle auf das Wunder mehr oder weniger gespannt waren, und ich schämte mich auf den Grund der Seele, auch nicht eine einzige Zeile fertig lesen zu können. Was da gerutscht, gegähnt, geräuspert wurde, ist nicht auszusprechen, und endlich sagte der Vater, um die armen Seelen aus ihrer Pein zu erlösen: «Hansli, steck auf, selb ist jetzt das langweiligste Zeug, das ich schon gehört habe.» Jedermann stimmte bei, Susanna aber, die an meiner grünen Seite saß, war bei ihrem guten Gewissen sanft und selig eingeschlafen. Ich hatte sie noch nie schlafend gesehen, und sie erschien mir jetzt so fremdschön, daß ich über dem Genuß ihres Anblicks der erlittenen Beschämung völlig vergaß und es nicht im Geringsten übel nahm, als ein blasser Webergeselle mir das Büchlein aus den Händen nahm. Doch nun, was geschah? Während ich mich unverwandt an Susannas großen geschlossenen Wimpern und dem leicht geöffneten Rosenmunde weidete, begann der Webergeselle zu lesen und das hieß wohl mit neuen Zungen geredet, denn nun klang alles so real und natürlich, so fein der Wirklichkeit abgelauscht und dabei so komisch und spaßhaft, daß die ganze Gesellschaft zu «pfuttern» und zu lachen begann. Ich traute meinen Ohren nicht, der blasse Webergeselle erschien mir wie ein Geisterbeschwörer. Selbst Susanna erwachte und lachte mit. Nachher machte ich wiederholte Versuche, es dem Webergesellen gleichzutun, erreichte aber immer sehr unbefriedigende Resultate und verlor mittlerweile allen Ge­schmack an Zellberger.

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