Читать книгу Hans Grünauer. Roman онлайн

29 страница из 67

Eines solchen Falles erinnere ich mich von dem Tage einer außerordentlichen Landesgemeinde, welcher auch mein Vater beiwohnte, doch keineswegs von politischen Motiven, sondern lediglich von Neugierde getrieben. Er las keine Zeitung und bekümmer­te sich um die Welthändel rein nichts. Es hatte sich aber das Ge­rücht verbreitet, man werde die in der Nähe des Landsgemeindeplatzes befindliche mechanische Webefabrik, welche den Erwerb der Hand­werker zu Grunde zu richten drohe, in Brand stecken, und dieses große Feuerlein nun wollte mein Vater auch gerne sehen. Da dieser Tag halb als allgemeiner Festtag galt, so ward mir ein sehr mäßiger Rast aufgegeben, mit dem ich leicht schon vormittags hätte fertig werden mögen, wäre nicht mein Fleiß durch festliche Einflüsse beeinträchtigt worden; nun aber verblieb der größere Teil noch für den Nachmittag. Plötzlich, als mir schon bange zu werden anfing, ich dürfte den Rast gar nicht fertig bringen, kam die Nachricht von dem wirklich stattgehabten Brande und von der zahlreichen Gefangennahme verdächtiger Individuen. Diese Nach­richt wurde durch direkt von der Landsgemeinde Zurückkehrende ge­bracht, und diese sagten zugleich, daß sie nicht wenig Bekannte unter den Verhafteten auf Wagen gebunden gesehen, und unter diesen Bekannten befand sich namentlich auch Susannas Vater. Nun entstand großes Wehklagen unter den Weibern und Kindern und die Mutter sagte, ich dürfte jetzt zu spulen aufhören und mit ihr auf den Grat gehen, von wo man fernhin auf die Straße hinaus­sah, zu sehen, ob die Mannen endlich kommen und ob der Vater auch dabei sei. Wie sehr versüßte mit der geschenkte Rast die bittere Nachricht! Meine Tränen flossen fast nur anstandshalber und waren ziemlich reine Freudentränen. Da ich des Vaters passive Art kannte, so hatte ich eine gewisse Ahnung, er habe sich an dem Verbrechen in keiner Weise beteiligt, und es könne ihm also nichts Böses geschehen. Und meine Ahnung betrog mich nicht, denn ums Zunachten kam der Vater mit drei andern Nachbarn über den Steg, wir kannten ihn von weitem an seinen Kniehosen, welche in der Nachbarschaft nur noch er, Peters Jakob und Susannas Vater trugen. Wir Kinder eilten den Willkommenen entgegen, ich freudig, Susanna aber in Tränen zerfließend. Denn da ihr Vater nicht mit dem meinigen zurückkam, wie er mit fortgegangen, so mußte das Gerücht Grund haben. Und ja, mein Vater selber hatte ihn nebst einigen andern auf einen Wagen rückwärts an die Leiter gebunden gesehen. Das wollte mir um Susannas willen das Herz zerreißen, ihre kleine zartgebaute Mutter fiel in Ohnmacht. Der Vater er­zählte nun, daß mehrere Wagen voll Verdächtiger nach der Stadt geführt worden seien, von welchen die größere Zahl bloß wegen zu lauten Freudenbezeugungen über die angenehme Wärme, welche der Brand an dem kalten Novembermorgen verbreitete, abgefaßt worden seien. Dabei habe man es hauptsächlich auf die Kniehosen abgesehen, weil der großmaulige, auf der Tat ertappte Hauptstifter solche Hosen getragen. Deshalb habe auch ihn, den guten, ganz gewiß unschuldigen Vater, mehr als ein Polizeispion mit lüsternem Blick gemessen und von mehr als einer Seite habe er die Diener und Speichellecker der Gerechtigkeit sich zurufen gehört: «Auf die Kniehosen, da trifft man die Rechten!» Mein Vater betrachtete es als einen Beweis der göttlichen Vorsehung, daß er ungeachtet dieses verpönten Kleidungsstückes frei zurückkehren gekonnt, ließ dann jedoch, um Gott seine Vorsehung etwas zu erleichtern, sofort lange gewöhnliche Hosen anmessen. Von der Landsgemeinde, der er wunderswegen doch auch ein Weilchen beigewohnt, wußte er nichts zu berichten, und wenn später des vielgenannten Tages ge­dacht wurde, so meinte er: «Ja, ja, das ist halt eine Weltsbrunst gewe­sen!» Susannas Vater kam am dritten Tage wieder heim, und auch er, der sich verschwor, nur seiner malefizischen Kniehosen wegen attrappiert worden zu sein, legte dieselben für immer ab.

Правообладателям