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So kam die Zeit nur zu bald, daß ich meiner Schule entwachsen war. Ich hatte in vier Jahren zwei Klassen überholt und brachte die zweite Hälfte des fünften Schuljahres ziemlich nutzlos hin; der Schulmeister wußte mich nicht mehr angemessen zu beschäftigen und meine Gegenwart begann ihm lästig zu werden. Er verwendete mich meist für Gehilfendienste und ließ mir daneben freie Wahl unter den Selbstbeschäftigungen. Solcherweise versteckte er seine wissenschaftliche Blöße hinter seine mir von jeher bewiesene Ge­wo­genheit.

Mit Beendigung des fünften Schuljahres war ich elf Jahre alt geworden und hätte laut Gesetz die Primarschule noch ein Jahr besuchen sollen. Allein die Prüfung bewies, was der Schulmeister dem Herrn Pfarrer bereits vorhergesagt hatte, daß für mich bei dem allgemeinen Unterricht nichts mehr zu holen sei, und ich wurde entlassen. Dieses Scheiden tat mir weh, ich sah mich nicht in Freiheit gesetzt, sondern ausgestoßen; wie beneidete ich Susanna, die sicher war, noch ein ganzes Jahr sitzen zu können; ihr gegenüber kam ich mir vor, wie einer, der seinen Leckerbissen zu rasch verschlungen, während der andere ihn weislich abgeteilt, um sich länger daran gütlich tun zu können. Aber auch aus einem andern Grunde, und aus diesem ganz besonders, tat es mir weh, die Schule mit dem Rücken ansehen zu müssen. Ich fühlte nämlich, wie elend und nichtig meine Kenntnisse waren; wimmelte es doch von Frage­zeichen in meinem Kopfe, auf welche ich ums Leben gern die Antworten vernommen hätte, und wer sollte sie mir geben, wenn der Schulmeister nicht der Mann war dazu? So sehr die Erfahrung mich vom Gegenteil hätte überzeugen sollen, so trug ich doch zum Schulmeister die Zuversicht in mir, daß er, falls der Unterricht es nur mit sich brächte, auf alle, alle Fragen richtigen Bescheid zu geben wüßte. Und wie lieb war mir der redliche Felix als Mensch! Das Herz jauchzte mir, wenn ich nur einen Zipfel sah von seiner Plattmütze mit dem tief ins Gesicht fallenden Schirm, wenn ich ihn an seinem stelzigen Gang von weitem erkannte oder seine gemütlich heisere Stimme hörte, besonders sein Lachen, das nicht im mindes­ten geziert war und leicht hervorgelockt wurde. Gemütlicheres konnte es ja gewiss nicht geben, als wenn der Schulmeis­ter mit seinen Schülern bei dem Lesen der Episode aus Pestalozzis Lienhard und Gertrud, wo Maurers Heireli am Hag sitzt und sein Brot zwischen der Ziege und dem armen Betheli teilt, dann plötzlich mit dem Rufe aufspringt: «Da ist nicht gut Wetter!» weil er sich unachtsamerweise in die Ameisen gesetzt hatte – wenn, sage ich, der Schulmeister mit seinen Schülern aus vollem Halse lachte, wie solches unter Felix auch nach wiederholtem Lesen besagter Episode der Fall war.

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