Читать книгу Die Bargada / Dorf an der Grenze. Eine Chronik онлайн

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Erst als Bernardo dem engsten mütterlichen Schutz entwuchs, loderte noch einmal die alte Lust an lautem Streit auf. Detta zitterte um ihren Knaben, der ihr so spät und nach so viel Kummer um andere Kinder geschenkt worden war. Sie fühlte sich so innig mit ihm verbunden, daß sie ihn am liebsten in sich beschlossen gehalten hätte. Auch Bernardo hing mit stiller Leidenschaft an seiner Mutter, ganz ihr zugekehrt. Er genoß es noch als großer Bub, von ihr herumgetragen zu werden oder still auf ihrem Schoß zu sitzen, über die runden Knöpfe ihrer Jacke fingernd seinen Kopf an ihre Brust zu pressen, die im Atmen sich ihm entgegenhob oder entsank, und den Geruch ihrer Kleider, ihrer Haare und ihrer Haut vorsichtig prüfend einzuziehen. Die besondere, ausschließende Liebe zwischen Detta und dem Kind kam für die andern fast einer Beleidigung gleich. Giulia faßte es so auf. Sie benützte die ersten Anzeichen, als dem Bub die Lust erstand, über seine Mutter hinaus mehr von der Welt zu erfahren, um ihn Detta abzulisten. Oft verschwand sie mit ihm auf Stunden, worüber Detta in Zorn geriet und sich bis zu Tätlichkeiten hinreißen ließ, wenn die Alte mit scheinheiliger Miene das Kind, das nach solchen Ausflügen auf seltsame Art ungebärdig und verstört war, wieder ablieferte. Sie behauptete, Giulia erzähle dem Kleinen furcht­erregende Geschichten oder nehme mit ihm Gott weiß was für Dinge vor, um ihn an sich zu fesseln. Täte sie nichts Unerlaubtes, warum wäre der Bub so verändert, wenn er von ihr nach Hause zurückkehrte? Aber auch Orsanna versuchte, den Kleinen zwischen den beiden Streitenden für sich herauszufischen und seine Zuneigung zu gewinnen. Sie tat es auf ihre Art, gab ihm verbotene Schleckereien zu essen und redete ihm ein, nur sie liebe ihn, nur von ihr könne er alles haben, was er sich wünsche. Sie erhitzte sich selbst an ihren Worten, so daß sie plötzlich das Kind an sich riß und mit Küssen fast erstickte, worüber Bernardo in Zetergeschrei ausbrach, sobald er Luft bekam, und mit den Fäusten auf die große Schwester einhämmerte, bis eine der andern Frauen ihm zu Hilfe eilte und ihn der Heftigen entriß. Der Zank hörte nicht auf. Hier nun zeigte sich, daß Tomaso, im Gegensatz zu den frühern Armini, welche nie in die Erziehung der Kinder eingriffen, es sei denn zum Strafen, gesonnen war, dem Wesen ein Ende zu setzen, indem er den Knaben den Frauen entzog und an sich band. Er nahm ihn mit zur Arbeit, unterhielt sich mit ihm in lehrhafter, etwas steifer Art und überwachte seine Spiele. Bernardo, stolz, zu den Männern gezählt zu werden, schloß sich dem Vater gerne an. So verlief der Streit, den die Frauen um den Knaben auszufechten bereits begonnen hatten, frühzeitig im Sand, und das Leben auf der Bargada ging seinen Gang weiter. Vielleicht, daß die Schulzeit des Jungen noch Anlaß zu Aufregung gab. Wie jeder Armini, hatte auch Tomaso gehofft, es werde dem Sohn glücken, ein einfaches und gutes Einvernehmen zu seinen Kameraden zu finden. Er irrte sich. Gerade Bernardo, so schien es, traf auf besondern Widerstand der Dorfjugend. Er kam oft beschmutzt, mit zerrissenen Kleidern nach Hause. Die Buben hätten sich auf ihn geworfen und so zugerichtet. Daß sie ihm offenen Kampf ansagten, war nicht das Schlimme, fand Tomaso, schlimmer war, daß sie, nach des Buben weinerlichem Bericht, hinter ihm her lachten und beschimpfende Andeutungen über sein Haus, seine Familie, seine Mutter fallen ließen, die das Kindergemüt verwirren und verletzen mußten. Es waren die alten, dummen Geschichten von Spuk und Zauberei, die nicht verstummen wollten.

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