Читать книгу Miló. Erzählungen онлайн

31 страница из 54

Seit Ende des Jahrhunderts, als die Cholera ein Massaker angerichtet hat, gibt es im Tal keine Arbeit mehr; Felder, wo man etwas anbauen kann, gibt es wenige, die Ernten sind karg und die Steuern hoch. Also wandert man aus: nach Paris, um Taxi zu fahren, in die französische Provinz, in Schweizer Städte, nach Amerika; Milós Mutter hat Vevey gewählt. In einigen Dörfern des Hochtals hängen in den Geschäften die Fahrpläne der Überseedampfer aus. In der Osteria flucht man: «Scheißitalien, hauen wir ab!»

Jetzt aber ist es genug: Man arbeitet bei Cogne, und in der Stadt ist sogar ein neues Viertel entstanden, wo die Arbeiterfamilien wohnen, die häufig aus dem Veneto und aus Kalabrien stammen oder Ausländer sind. Das zertrüm­merte Erz wird mit Loren aus dem Bergwerk und dann mit einer Seilbahn bis zur Fabrik in Aosta transportiert: Hochofen, Stahlwerk, Walzwerk. Die Bewohner des Aosta­tals sind stark und gelehrig. Die Gießerei ist die Hölle: Hochöfen zum Schmelzen des Stahls bei Temperaturen von 1500 bis 2000 Grad, Getöse der Walzstraßen, Kräne, die Schrott wegräumen, Spritzer von geschmolzenem Stahl beim Guss. Der größten Gefahr sind die Schlangenlenker ausgesetzt, die am Ausgang und am Eingang der Walzen mit riesigen Zangen die Rundstahl- und Vierkantstäbe steuern. Tust du einen falschen Schritt oder verpasst den richtigen Moment, wirst du von der glühenden Schlange erfasst. Außerdem bringt die Schichtarbeit den Rhythmus des täglichen Lebens durcheinander: Eine Woche steht man vor Sonnenaufgang auf, in der nächsten Woche arbeitet man bis spät und kommt erst mitten in der Nacht nach Hause, in der dritten Woche schläft man nachts überhaupt nicht.

Правообладателям