Читать книгу Das Gesetz des Wassers. Ein Tanner-Kriminalroman онлайн

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Übrigens, Simon, ich kenne in groben Zügen die Geschichte deiner Taten in Marokko. Ich weiß auch, wie unfair du von der Regierung behandelt worden bist. Wie gesagt, ich kenne Gott und die Welt. Das bringt mein Job so mit sich. Und mit deinem Fahndungserfolg hier in unserem Land vor einiger Zeit waren die Zeitungen ja voll. Ich habe natürlich alles genau verfolgt, wie du dir denken kannst.

Tanner nickt, behält aber seine Verwunderung für sich. Was heißt das: alles genau verfolgt? Spricht er von den oberflächlichen Berichten in der Zeitung, oder besitzt sein Freund andere Informationskanäle? Bruckner schweigt.

Tanner hat keine Lust nachzufragen, streckt seufzend seine Beine ganz aus und überlässt sich der Magie der nächtlichen Fahrt. Bruckner betrachtet mit einem schnellen Seitenblick seinen Freund, macht die Musik an – Mozart, wie eh und je – und drückt aufs Gaspedal. Nach und nach stellt sich bei Tanner die Trance ein. Wie früher.

Der schwere Wagen wiegt sich leise durch die Kurven. Der Körper wird schwerelos. Die Materie löst sich auf. Die kinetische Energie der Bewegung wird scheinbar null. Nicht das Auto fährt, sondern die Landschaft rast und fließt dem Auge entgegen. Das Licht sägt aus dem Dunkel einen Film mit rasch wechselnden Bildern. Das monotone Band der Straße mit seiner weißen, regelmäßig unterbrochenen Linie bildet die stetige Basslinie, den Takt des rasenden Bilderreigens. Der schwarze Asphaltfluss reiht tausend Bildfetzen aneinander. Von grellen Scheinwerfern der schwarzen Nacht entrissen. Kaum geschaut, selten ganz begriffen, blitzen Gegenstände flüchtig auf und werden sofort wieder unwiderruflich in ihre dunkle Existenz entlassen. Zurück in das Nichts. Bäume, Sträucher, Gehsteige, Fragmente von Häusern, Gärten, Brücken, Bäche, nicht zu identifizierende Gegenstände am Straßenrand. Auch die banalsten Gegenstände bekommen durch die rasende Abfolge ihrer kurzfristigen Erscheinung eine neue Bedeutung. Die schnellen Schnitte schaffen neue Zusammenhänge. Ein Verkehrsschild warnt vor Schleudergefahr, ein Fuchs starrt mit seinen diamantenen Augen ins gleißende Licht, das fahl erleuchtete Fenster einer allein stehenden Hütte, der verlorene Kinderschuh am Straßenrand, aus dem offenen Fenster eines am Waldrand parkierten Autos blendet die weiße Haut eines nackten Frauenarms.

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