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Heute trug Anna in einem Korb ein junges Kaninchen für Paul, den Sohn. Paul gehörte zur Welt ihrer Vorstellungen; sie sah ihn hochmütig, mit nachtkühlen Augen und Händen, die nichts halten konnten. Nun, da die alte Mutter gestorben war, musste Anna das Kind zurückholen. Hinter der baufälligen Kirche, in der Annas matte Kindersonntage gefangen gehalten wurden, stieg sie über ausgetretene Stufen auf den Platz hinunter, wo Leute sich um einen Brunnen scharten und über die Erklärungen eines Reiseführers lachten. Plötzlich sah sie ihr Kind: Vor der Glasfassade des neuen Hotels übte es selbstvergessen Tanzschritte, während bunte Fahnen den Takt klatschten. Paul begann immer wieder an der gleichen Stelle, bewegte sich wiegend vorwärts, streckte die kurzen Arme waagrecht auf beide Seiten und betrachtete sich im spiegelnden Glas, ohne der schwarz gekleideten Frau Beachtung zu schenken, die er nicht erkannte.

Anna ging dem Kanal entlang, stieß eine schwere Tür auf, von der jemand die Farbe notdürftig abgekratzt hatte, und betrat den halbdunkeln Raum, in dem ein Greis wie ein Pilz in einem Lehnstuhl wucherte. Als Kind hatte sie vor vielen Jahren mit dem Finger «Mutter» auf den schmutzigen Spiegel geschrieben, der am Boden stand; die Schrift war noch da. Anna bemerkte durch das Fenster an der hintern Wand den verkrüppelten Baum, der mit hellgrünen Wimpeln die Sonne begrüßte, die wie eine Wunderblume aus dem steinernen Himmel schoss; eine an einem dünnen Ast aufgespießte Vogelfeder zitterte im Wind.

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