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Die Wünsche des Heiratsschwindlers

Die Dame, die einige Wochen vor Weihnachten in eine der Wohnungen im neuen, noch leeren Miethaus am Fluss eingezogen ist, bittet den Heiratsschwindler, ihr bei der Arbeitssuche behilflich zu sein. «Ich bin nicht verschuldet», glaubt sie erklären zu müssen, «und ich habe ein wenig Vermögen. Ich tippe außerordentlich schnell, fülle stundenlang und pausenlos viele Blätter mit vielen Sätzen; auch mit unbegreiflichen. Die Kopfschmerzen am Abend …» Sie verschweigt, dass sie schon seit zwei Tagen nichts gegessen hat; der Hunger gräbt ihr Inneres um, als suche er den Schatz, der auf jedem Grunde glänzt. Sie erzählt einige Male, sie zürne ihrem Freund, einem Schriftsteller, der ihre Person gestohlen und entstellt habe und auf dreihundertdreiundfünfzig Buchsei­ten gefangen halte. Sie zürnt auch ihrem alten Vater, der sich jeder Verantwortung entzieht und ­behauptete, dem Tee, den sie ihm dreimal täglich ans Bett brachte, entströme Men­schengeruch. «Er spricht sonst nichts mehr», beklagt sie sich, «und ich schenkte ihm von meiner Zeit so viel; er hätte sich endlich rechtfertigen können. Aber er zog es vor, zu meckern, statt zu lachen, und zu meckern, statt zu weinen.» Der Hei­rats­schwindler macht sie darauf aufmerksam, dass die Zeit, die sie dem Vater anbot, nicht ihre Zeit gewesen sei; sie gehöre – um Beispiele zu nennen – auch dem Föhn, dem Ros­marinstrauch und den Katzen. Die Dame sieht ein, dass sie sich den Teil nimmt, den sie zu benötigen glaubt. «Ich stecke mir auch den Raum ab», sagt sie, «den aber jedermann ungestraft überqueren kann. Mein Herz ist trotz vielem Unge­mach nicht eng geworden; im Gegenteil. Aber man bedrängt mich. Man will, so glaube ich, meinen Tod.»

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