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Als der Arzt endlich kam, unsanft Tante Elise und den verstörten Lastwagenchauffeur zurückstieß, die ihn mit Fragen und Erklärungen bedrängten, runzelte Leo die Stirn, atmete einige Male kurz und heftig, schloss die Augen und öffnete die weißen trockenen Lippen. Onkel Paul erhob sich, blickte sich erschreckt im Zimmer um, und während er sich gleichzeitig mit dem Arzt über Leo beugte, wusste er, dass das Kind tot war, und es schien ihm, er habe es geliebt, wie man eine Frau liebt, mehr noch als Elise, deren Weinen er wie aus weiter Ferne hörte, mehr als seine Bücher, mehr als sich selbst.

Er öffnete seine Hände, und als der Arzt ihm eine Frage stellte, schwieg er, denn seine Stimme, seine Zunge und seine Lippen blieben bewegungslos wie seine Hände, sie wurden zu etwas Fremdem, zu Gegenständen, die er nicht mehr gebrauchen konnte und wollte, da der Knabe nicht mehr da war, zu dem er hätte reden, den er hätte streicheln und küssen können und der schön war.

Die Nachbarin

Ich weiß alles über meine Nachbarin. Sie bohrt manchmal mit dem Zeigefinger, mit dessen Hilfe sie tagsüber Kohlepapier zwischen gelbes und rosarotes Durchschlagpapier schiebt, in den Nasenlöchern, die dann schwarz bleiben. Sie arbeitet acht Stunden am Tag zwischen vier Betonwänden; oft löst sich der Nagel, an dem der Kalender mit den bunten Landschaftsansichten hängt; der Kalender fällt zu Boden und meine Nachbarin schlägt den Nagel wieder ein und hängt den Kalender vorsichtig auf. Manchmal schließt sie sich in der Toilette ein, um in ihr Gesicht zu spähen; dann drehen sich die Augen, die wie Fische hinter den dicken Brillengläsern schwimmen, auf den Rücken.

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