Читать книгу Fern von hier. Sämtliche Erzählungen онлайн

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Taddea beugte sich weiter hinaus. War es nicht die Mutter, die dort um die Ecke bog? Aber weshalb kam sie nicht hierher, wo ihre Wohnung war, weshalb verschwand sie in einer anderen Straße? Plötzlich verlor das Mädchen, das aufs Fens­tersims gestiegen war, das Gleichgewicht und stürzte hinunter; schnell, lautlos flatterte es auf die Nacht zu. Der Tod nahm sein Herz in die Hände und flog mit ihm in jene Welt, von der wir träumen, wenn der Schlaf mit uns in die Tiefen taucht, wo silberne Flüsse leise wie Katzen zwischen blauen Wolken gehen, wo Männer und Frauen heulend wie hungrige Wölfe auf hohe Türme steigen und stattliche Kröten lachend über Sommerwiesen eilen.

Leo

Jeden Schritt, jede Bewegung schien der kleine Leo zu kosten. Wenn er irgendwo saß, das Kinn auf die Hand gestützt, die Zehen betrachtend, die er spielerisch bewegte, die braunen Augen mit dem verschwommenen Blick halb geschlossen, scharf durch die schmale Nase atmend, dann schien er nicht nur das Atmen, das Spiel der Zehen, das Ruhen des Kinns auf der Hand zu genießen, sondern er schien sich gleichzeitig erfreut seine braunroten Locken vorzustellen, seine kleinen Ohren, die oben spitz zuliefen, seine hübschen Hüften, die blassen, herzförmigen Lippen, die er mit der Zunge streichelte. Diese Trägheit und das verträumte Wesen gefielen seinem Onkel, erregten jedoch den Zorn seiner Tante. «Es soll einmal ein Mann aus ihm werden, vergiss es nicht, Paul!», schrie sie jeweils, doch Onkel Paul betrachtete seinen Pflegesohn als eine teils freundlich, teils bizarr schimmernde Pflanze, sie sich hegen und pflegen ließ und von der fremden Welt träumte, von wo ihr Same aus Versehen auf die Erde gefallen war und nun staunend sich verwandelte, staunend das Dasein genoss und staunend verwelkte.

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