Читать книгу Fern von hier. Sämtliche Erzählungen онлайн

55 страница из 163

Ich beobachte meine Nachbarin nun schon seit 313 Tagen, überwache ihre Gedanken und verfolge ihre Schritte, da ich über sie ein Hörspiel schreiben will. Ich mache mir Notizen. Sie lebt mit ihrer Schildkröte allein, die ich aber nicht ins Spiel einbeziehen möchte; ich könnte allerdings jemandem eine Bemerkung über das grämliche Tier in den Mund legen, ihn zum Beispiel feststellen lassen, der Hals der Nachbarin gleiche dem Hals der Schildkröte. Obwohl meine Nachbarin ihr Haar geranienrot färbt, weiß ich, dass sie bald zu den Alten gehören wird; dann wird sie in eines der schwankenden Boote am Fluss kriechen und sich wegspülen lassen, und mich, da ich bald nicht mehr weiß, ob ich sie bin oder ob sie ich ist, soll man dann nicht suchen.

Ein Traum

Während Reto, Student der Rechtswissenschaft, einschläft, träumt er, er beuge sich hinaus, um den rechten Flügel des Vorfensters mit der Spitze des mittleren Fingers so weit als möglich zurückzustoßen, doch drückt der Wind die Scheibe immer wieder von der Hauswand weg, an welcher sich kein Haken zum Befestigen des Fensters befindet. Im Nu ist Retos schweißnasses Gesicht trocken; er atmet einige Male tief und flucht leise, da es ihm noch immer nicht gelungen ist, das Fenster offen zu lassen, damit der Wind die Wärme aus dem stickigen Zimmer blase – kaum tritt er zurück, klappt der gläserne Flügel schmetternd zu, als wolle er den Raum wie einen kranken, alten Leib schützen.

Правообладателям