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Seeknochen

Den See, nein, sie sah ihn nicht, weil es Abend war, noch nicht Sommer, und das Haus ihrer Kindheit lag nicht zum See hin. Wäre er nicht mehr da gewesen, hätte sie es bereits auf dem Bahnhofsplatz bemerkt, kaum dem Gotthardzug entstiegen: am Lasten der Lücken abwärts, am Herabstürzen der Stufen, am Erschlaffen der Reklamestreifen, die jedoch gebläht waren, um die Veranstaltungen in der Stadt anzukündigen.

Von der Höhe des Bahnhofs aus kam es ihr nicht einmal in den Sinn, es zu überprüfen, es war ihr nie in den Sinn gekommen. Wie damals, als sie Kinder waren und ganze Wochen verstrichen, vor allem im Winter, ohne dass sie die Anwesenheit des Sees nachprüften, ohne dass sie sich um seinen Gesundheitszustand kümmerten. Dem See ging es jedenfalls gut, dachten sie. Einmal war er bis auf den Platz herausgetreten, und sie waren mit dem Lehrer hingegangen, zu Fuss entlang der Strassenbahn, um ihn zu sehen: Sie hatten ihn diesseits des Rathauses angetroffen, nicht wild, zahm, glattgebügelt von den Trittbrettern, er tändelte durch die Strassen mit Ästchen und Rindenstücken. Sie hatten sich die Schuhe nass gemacht, weil sie sich hineinwagten, um die Tiefe zu messen, und ein Kind hatte einen Katarrgeruch gespürt, alle hatten den Katarrgeruch wahrgenommen. Tags darauf gaben die Lehrer die Aufgabe, in jeder Klasse einen Aufsatz über den aus den Ufern getretenen See zu schreiben, und die Neuheit verwandelte sich innerhalb kurzer Zeit in die Aufgabe in Schönschrift, mit Tintenklecksen.

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