Читать книгу Ein Bruder lebenslänglich. Vom Leben mit einem behinderten Geschwister онлайн

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Die Grosse Tante heiratete in eine Familiendynastie ein. Der ­Familie ihres Mannes gehörte ein direkt am See gelegenes grosses Herrschaftshaus. Man erzählte sich, dass die Schwiegermutter jeweils ins Jagdhorn blies, um ihre sieben Kinder zum Essen zusammenzurufen. Nun waren die Töchter ausgezogen. Grosstantes Mann Gottlieb führte mit seinen zwei Brüdern Xaver und Chasper den Gutsbetrieb mit Bauernhof, Trotte und Käserei. Die Ehe der Grossen Tante und Onkel Gottlieb blieb kinderlos. Deshalb nahm die Grosse Tante immer wieder Kinder aus der Verwandtschaft zu sich, deren Eltern sich aus einem bestimmten Grund nicht um sie kümmern konnten. Auch mein Vater und seine Geschwister waren als Kinder bei der Grossen Tante in den Ferien gewesen. So war es schon fast selbstverständlich, dass nun auch ich für einige Zeit dorthin geschickt wurde.

Die Grosse Tante brachte ihre jüngere Stiefschwester Fanny mit in die Ehe. Fanny war seit ihrer Kindheit etwas schwächlich und galt als wenig lebenstüchtig. Zusammen mit Tante Fanny führte die Grosse Tante dort in der grossen Stube – die so gross wie ein Tanzsaal war, wie meine Mutter sagte – ihr Schneideratelier weiter. Später spezialisierten sich die beiden Schneiderinnen auf das Nähen von Trachten. Sie hatten viele Aufträge vom Schweizerischen Heimatwerk. Die Grosse Tante kam oft in die Stadt, um den Kundinnen die Trachten anzuprobieren. Das Mieder mit dem kunstvoll gestickten Latz musste genau sitzen.

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