Читать книгу Ein Bruder lebenslänglich. Vom Leben mit einem behinderten Geschwister онлайн

37 страница из 76

Ganz zuoberst unter dem Dach lebte Frau Coulin. Sie hatte ihr fei­nes schneeweisses Haar kunstvoll zusammengesteckt. Frau ­Coulin sprach Hochdeutsch, trotz ihres französischen Namens. Sie hatte einen sprechenden Papagei und zwei wunderschöne Angorakatzen. Das alles verlieh ihr etwas Exotisches. Sie nannte mich «ihre blauen Augen», warum verstand ich nicht, denn meine Augen waren ja nicht blau, sondern braun. Frau Coulin lud mich hin und wieder zum Tee ein. Ich sollte sie mit meinen Geschichten unterhalten. Bis heute habe ich die Karte von der «Katzenschule» aufbewahrt, welche sie mir zu meiner Einschulung sandte.

Dann gab es im Erdgeschoss noch das Ehepaar Knirps, zwei kleine kugelrunde Leute, welche einen kleinen Hund besassen, der auch so kugelrund war. Als ich mich einmal nicht wohlfühlte, liess mir Herr Knirps Trauben bringen und beschwor die Grosse Tante, doch einen Arzt kommen zu lassen.

Alle diese Menschen wohnten dauerhaft in diesem ehrwür­digen Haus.

Im Sommer kamen noch einige Gäste dazu. Die Grosstanten vermieteten Fremdenzimmer an die Kurgäste. Dann mussten wir zusammenrücken. Tante Fanny hatte nicht mehr ihr eigenes Zimmer und ich nicht mehr mein eigenes Bett, sondern schlief im Gräbchen zwischen den beiden Grosstanten. Die Leute, die da aus ganz Europa kamen, waren noch interessanter als die Dauergäste. Da war der Kapellmeister, der mit dem Metermass kam, um das Bett auszumessen, weil er so gross gewachsen war. Grosstante verfügte als Einzige im Dorf über ein Bett, welches ihm passte. Die Fremdenzimmer ­waren mit Wasserkrug, Waschbecken und einem Nachttopf ausgestattet. Wenn die Gäste enttäuscht nach dem fliessenden Wasser fragten, zeigte Tante Fanny aus dem Fenster auf den See hinaus.

Правообладателям