Читать книгу Die schiere Wahrheit. Glauser und Simenon schreiben einen Kriminalroman онлайн

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Amélie Morel lächelte über das Meer hinaus. Es waren stren­ge Jahre, aber sie hatte viel zu sehen bekommen. Und dann, kaum im Elternhaus eingezogen, hatte sie endlich die Bücherkisten heruntergeholt und war ohne Zögern kopfüber in die Welt der großen Medizin eingetaucht …

An einem solchen Frühsommertag am Atlantik rechnet man mit allem, nur nicht mit den Kapriolen der Wirklichkeit. Die kleine Dame im Liegestuhl, vertieft in das Studium des menschlichen Knies, verspürte nicht den leisesten Hauch eines Vorge­fühles. Obwohl das Ereignis, das in den kommenden Tagen den sorgfältigen Ablauf ihrer Urlaubstage gründlich über den Haufen werfen sollte, bereits geschehen war.

Dabei hätte man hinter der Schaukel den Jungen schon sehen können, der aufgeregt dahergerannt kam.

Aber erstens vermied Amélie Morel den Blick zur großen Strandschaukel, von wo der Wind zeitweise das störende Schrei­en und Lachen der Kinder bis zu ihrem Liegestuhl blies, obwohl der in größtmöglicher Entfernung zur Lärmquelle stand. Und zweitens hatte sie den Hut wegen des Windes tief in die Stirn gezogen. Der heftige Wind der letzten beiden Tage gab heute zwar endlich langsam auf, aber er schob die wenigen grauen Wol­ken, die er finden konnte, vor die Sonne, bauschte mit letzter Anstrengung die blaugestreiften Tücher der Strandkabinen, flatterte über die leeren Liegestühle, fuhr Amélie un­ter den Rock, aber das gewichtige Anatomiebuch auf ihren Knien stoppte ihn, und danach hatte er, wohl aus Rache, um ein Haar mit einer boshaften Böe Amélies Strohhut fortgeblasen.

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