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Man hatte einen Ausritt vereinbart; Joachim und Bertrand hatten Elisabeth abgeholt. Joachim ritt das Pferd Helmuths, das nun ja wieder zu seinem Besitz geworden war. Über die Stoppelfelder, auf denen noch die Garben standen, waren sie galoppiert und dann mit kurzem Trab in den engen Waldweg eingebogen. Joachim ließ den Gast mit Elisabeth vorausreiten und während er folgte, schien sie ihm in ihrem langen schwarzen Reitkleid noch größer und schmäler als sonst. Er hätte gerne anderswohin geschaut, aber sie saß nicht ganz tadellos zu Pferde und das störte ihn; sie hielt sich ein wenig zu weit vorgebeugt, und wenn sie sich mit dem Trab hob und senkte, den Sattel sitzend berührte und wieder aufschnellte, auf und ab, mußte er an ihren Abschied am Bahnhof denken, und der verächtliche Wunsch, sie als Frau begehren zu können, drängte sich wieder auf, doppelt verächtlich, seitdem der Vater, und dazu noch vor Bertrand, von Brautschau gesprochen hatte. Aber fast noch fürchterlicher war es, daß auch die Eltern Elisabeths, ja sogar ihre eigene Mutter, ihn als Objekt für der Tochter Liebesbegehren ansehen mochten, ihn ihr anboten, sie allesamt überzeugt, daß sie über dieses Liebesbegehren verfügen dürften, daß es sich einstellen und keinesfalls versagen werde. Zwar verbarg sich noch etwas Eigentlicheres, Tieferes dahinter, eine undeutliche Vorstellung, von der Joachim nichts wissen wollte, obwohl er seinen Mund trocken werden fühlte und Hitze im Gesicht; es war undeutlich, dennoch empörend, daß man Elisabeth solche Dinge zuzumuten wagte, er schämte sich vor Elisabeth und schämte sich für sie. Mag sie Bertrand überlassen bleiben, dachte er und vergaß, daß er damit die gleiche Sünde beging, die er eben noch mit solcher Entrüstung von sich gewiesen hatte. Aber plötzlich war es ohne Belang, plötzlich war es, als käme Bertrand nicht in Betracht: er war so weiblich mit seinen gewellten Haaren, irgendwie schwesterlich, eine schwesterliche Fürsorge, der man Elisabeth vielleicht doch überlassen durfte. Es war wohl unwahr, aber für einen Augenblick beruhigend. Warum übrigens ist sie eigentlich schön? und er betrachtete ihren auf- und abwippenden Körper, dessen Schwerpunkt sich immer wieder auf den Sattel setzte. Dabei machte er die Entdeckung, daß es nicht Schönheit, sondern viel eher Unschönheit ist, die Begehren hervorruft; allein er schob den Gedanken beiseite, und während er noch die Szene des Einsteigens am Bahnhof vor Augen hatte, flüchtete er zu Ruzena, deren viele Unvollkommenheiten sie so reizvoll machten. Er ließ sein Pferd in Schritt fallen, damit der Abstand zwischen ihm und den beiden da vorne sich vergrößerte, und nahm aus der Brusttasche den letzten Brief Ruzenas. Das Papier roch nach dem Parfüm, das er ihr geschenkt hatte, und Joachim atmete den Duft der ungeordneten Intimität ihres Beisammenseins. Ja, dort gehörte er hin, dort wolite er sein, fühlte sich freiwillig verbannt aus der Gesellschaft und doch verstoßen, fühlte sich Elisabeths unwürdig. Bertrand war zwar sein Komplice, hatte aber reinere Hände, und da Joachim dies klar wurde, begriff er auch, warum Bertrand ihn und Ruzena eigentlich stets etwas von oben herab, irgendwie onkelhaft oder wie ein Arzt behandelt hatte und ihm die eigenen Geheimnisse verschloß. Niemand deckt die Geheimnisse des Vaters auf; es war richtig, daß es so war und deshalb durfte und mochte jener nun dort vorne an der Seite Elisabeths reiten, unwürdig auch jener, doch besser als er selbst. Helmuth fiel ihm ein. Und als wollte er wenigstens Helmuths Pferd in ihre Nähe bringen, setzte er es in Trab. Die Hufe trappelten weich auf dem Waldboden und wenn ein Ästchen von ihnen getroffen wurde, hörte man das scharfe Knicken des Holzes. Das Leder des Sattels knirschte angenehm, und kühl wehte die Luft aus der dunklen Tiefe des Laubes.

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