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In der Folge wiederholten sich die Morgenspaziergänge und manchmal schloß sich Joachim ihnen an. Dann war der Alte mürrisch und schweigsam und gab sogar die Versuche auf, etwas über die Angst Bertrands zu erfahren. So versteckt und tastend er sonst seine Fragen anzubringen pflegte, er verstummte nun völlig. Aber auch Joachim war schweigsam. Denn auch er durfte nicht nach dem fragen, was er von Bertrand erfahren wollte und Bertrand blieb beharrlich die Aufklärung schuldig. Solcherart wanderten sie seihdritt über die Felder und sowohl Vater als Sohn nahmen es Bertrand übel, daß er ihre wißbegierige Erwartung enttäuschte. Bertrand aber hatte alle Mühe, ein Gespräch in Gang zu erhalten.
Hatte Joachim seinen Besuch in Lestow erst hinausgeschoben, weil er der Vorstellung verhaftet gewesen war, mit Bertrand dort vorzufahren, so war jetzt der leise Unmut, den er gegen Bertrand hegte, vielleicht daran schuld, daß er die Fahrt neuerdings hinauszögerte: es war eine verschwommene Hoffnung in ihm, es werde, wenn Bertrand nur sprechen wollte, alles so gut und einfach sich gestalten, daß er ihn dann auch ohne weiters nach Lestow werde mitnehmen können. Da aber Bertrand trotz dieser Verlockung, von der er allerdings nichts erfuhr, enttäuschend in seinem Schweigen verharrte, mußte sich Joachim endlich entschließen und fuhr allein. Er kutschierte an einem Nachmittag nach Lestow hinüber, auf dem hochrädrigen Wagen, die Beine in die Decke glatt und vorschriftsmäßig eingeschlagen, die Peitsche schräg vor sich gehalten und die Zügel liefen glatt über den braunen Handschuh. Der Vater hatte bei seiner Abfahrt »na endlich« gesagt, und Joachim war nun von Widerwillen gegen das phantastische Heiratsprojekt erfüllt. Drüben tauchte die Kirchturmspitze des Nachbardorfes auf; eine katholische Kirche und sie erinnert ihn an Ruzenas römisch- katholisches Glaubensbekenntnis; Bertrand hatte von Ruzena erzählt. Wäre es nicht am richtigsten, diesen unsinnigen Aufenthalt einfach abzubrechen, einfach zu ihr zu fahren? Hier begann alles ihn anzuekeln; widerlich war der Staub auf der Straße, widerlich der Straßenbäume staubige müde Blätter, die den Herbst ankündigten. Seit Bertrands Ankunft sehnte er sich wieder nach der Uniform: zwei Menschen in gleicher Uniform, das war unpersönlich, das war des Königs Rock; zwei Menschen in ähnlichen Zivilanzügen, das war schamlos, das war wie zwei Brüder; und als schamlos empfand er den kurzen Zivilrock, der die Beine und den Hosenschluß sehen ließ. Elisabeth war zu bedauern, daß sie Männer in kurzen Sakkos und sichtbaren Hosen betrachten mußte -merkwürdig, daß ihm solches noch niemals bei Ruzena eingefallen war - aber wenigstens zu diesem Besuche hätte er die Uniform anlegen sollen. Die breite weiße Krawatte mit der Hufeisennadel deckte den ganzen Westenausschnitt; das war gut. Er griff danach und vergewisserte sich, daß sie ordentlich saß. Nicht umsonst legt man den Toten im Sarge ein Tuch über den Unterleib. Hier auf dieser Straße nach Lestow war auch Helmuth gefahren, hatte Elisabeth und ihre Mutter besucht und solcher Straßenstaub ist ihm ins Grab nachgegossen worden. Hatte der Bruder ihm eigentlich Elisabeth als Erbe hinterlassen? Oder Ruzena? Oder gar Bertrand? Man hätte Bertrand das Zimmer Helmuths anweisen sollen, anstatt ihn in dem einsamen Gastzimmer unterzubringen; aber das wäre nicht recht angegangen. Dies alles war wie ein unentrinnbares Räderwerk, das doch irgendwie von seinem eigenen Willen abhing und eben deshalb unentrinnbar und selbstverständlich erschien, sicherlich unentrinnbarer als das Räderwerk des Dienstes. Indes er konnte den Gedanken, hinter dem sich vielleicht Entsetzliches auftat, nicht weiter verfolgen, weil er jetzt in das Dorf einbog und auf die spielenden Kinder achthabenmußte; knapp hinter dem Dorf fuhr er zwischen den beiden Gärtnerhäusern links und rechts vom Tore in den Park ein.