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»Ich freue mich, Sie endlich wieder bei uns zu sehen. Herr v. Pasenow«, sagte der Baron, der ihn in der Halle empfing, und als Joachim von dem Gaste erzählte, durch den sein Besuch verzögert worden war, machte er es ihm zum Vorwurf, daß er Bertrand nicht gleich mitgebracht hatte. Joachim verstand das nun selber nicht; es wäre sicherlich kein Verstoß gewesen; aber als Elisabeth eintrat, fand er es doch richtiger, daß er allein gekommen war. Er fand sie sehr schön, oh, gewiß könnte auch Bertrand sich dem Bann solcher Schönheit nicht entziehen, und gewiß würde er in ihrer Gegenwart es nicht wagen, jenen allzu zwanglosen Ton beizubehalten, der ihm sonst zu eigen war. Dennoch hätte Joachim gewünscht, dies zu erleben, etwa wie man es sich wünscht, ein häßliches Wort in der Kirche zu hören oder gar einer Hinrichtung beizuwohnen.
Der Tee wurde auf der Terrasse eingenommen und Joachim, der neben Elisabeth saß, hatte die Empfindung, diese Situation vor nicht allzu langer Zeit schon erlebt zu haben. Aber wann war es nur gewesen? Seit seinem letzten Besuch in Lestow waren nahezu drei Jahre vergangen und damals war es Spätherbst und es wäre nicht möglich gewesen, auf der Terrasse zu sitzen. Doch während er noch darüber nachdachte und es doch so war, als hätte man damals die Lichter im Schlosse angesteckt, da führte ihn eine etwas seltsame Verknüpfung ins Absurde, und beinahe wurde es unentwirrbar, weil sein Komplice Bertrandes ekelte ihn ein wenig, da ihm das Wort Komplice einfiel-, weil der Komplice und Zeuge seiner Intimität mit Ruzena auch hier vor Elisabeth mit ihm beisammen sein sollte! Wie hatte er ihn überhaupt bei den Eltern einführen dürfen? Das fatale Gefühl, durch Bertrand ins Gleiten geraten zu sein, stellte sich wieder ein, und plötzlich war es ihm peinlich, daß er sich in seinem Zivilgewande nach dem Tee werde erheben müssen; er hätte gerne seine Serviette auf den Knien belassen, aber schon ging man in den Park. Als die Wirtschaftsgebäude sichtbar wurden, meinte der Baron, daß Pasenow nun wohl auch bald zur Landwirtschaft zurückkehren werde; wenigstens habe der alte Herr es angedeutet. Joachim, mit neuerwachtem Widerwillen gegen des Vaters Versuch, sein Leben zu bestimmen, hätte gerne erwidert, er denke nicht daran, ins Vaterhaus heimzukehren; natürlich konnte man so etwas nicht äußern; es hätte den Tatsachen nicht ganz entsprochen, auch nicht seiner wiedergefundenen Anhänglichkeit an Heimat und Besitz, und so sagte er bloß, daß es nicht leicht sei, den Dienst zu verlassen, um so weniger, als er nun doch knapp vor dem Rittmeister stehe. Und man gäbe eine liebgewordene Karriere, und sei es auch nur aus Gefühlskonvention, nicht so leicht und ohne weiteres auf; er sähe dies am besten bei seinem Freunde, Herrn v. Bertrand, der sichtrotz manch bedeutenden Erfolges wahrscheinlich immer noch insgeheim zum Regiment zurücksehne. Und wie ohne sein Zutun begann er, von den weltumspannenden Geschäften Bertrands zu erzählen, von seinen großen Fahrten und er umgab ihn, fast knabenhaft, derart mit dem Nimbus eines Forschungsreisenden, daß die Damen nicht umhin konnten, ihre Freude über die baldige Bekanntschaft eines so interessanten Mannes kundzutun. Nichtsdestoweniger hatte Pasenow den Eindruck, als fürchteten sie sich allesamt, nicht eben vor Bertrand, so doch vor dem Leben, das jener führte, denn Elisabeth war fast kleinlaut und meinte, es sei schlechterdings unvorstellbar, etwa einen Bruder oder sonst einen nahen Verwandten so weit draußen in der Welt zu wissen, daß man nie mit Sicherheit angeben könne, wo er sich befinde. Und der Baron sagte zustimmend, daß bloß ein Mensch ohne Familie ein solches Leben führen dürfe. Ein Seemannsleben, fügte er hinzu. Doch Joachim, der hinter dem Freunde nicht allzusehr zurückstehen wollte, ja hier sich geradezu als sein Vertreter fühlte, erzählte nun noch, daß Bertrand ihn angeregt habe, sich zum Kolonialdienst zu melden, und die Baronin erwiderte strenge: »Das dürfen Sie Ihren armen Eltern nicht antun.«- »Nein«, sagte der Baron, »Siegehören auf die heimatliche Scholle«, und Joachim hörteesnicht ungern. Dann kehrten sie um und gelangten, von Elisabeths Hunden begleitet, wieder zu der großen Lichtung vor dem Hause. Das Gras roch schon feucht und tauig und die Lichter im Hause wurden bereits angesteckt; denn die Abende begannen kurz zu werden.