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„Sseiße, fast vergessen, wie konnte iss bloß! O Entssuldigung“, entschuldigte sich Schlankerli. „Entfernt die Fesseln!“

Die Henkersknechte gehorchten aufs Wort. Neben Idan zappelte und stöhnte Kuno Weißhaar.

„Und ihr müsst Kuno Weißhaar wieder abhängen, damit er genießen kann, was ich spiele!“, ergänzte Idan.

„O der brausst nisst ssu genießen! Ssoll sson mal ssappeln!“, erwiderte Schlankerli. „Ihr andern kommt auss noss dran!“

„Wenn ihr ihn nicht abhängt, spiele ich nicht!“ drohte Idan.

„Sson resst! Sson resst! So löst ihn also doss!“,loss!“, befahl der König den Henkersknechten. Der Kuno wurde sofort heruntergeholt. Er war ganz erleichtert und versuchte mit seinen gefesselten Armen die Haare zu ordnen, die jetzt hoch zu Berge standen. Freilich gelang ihm das nicht.

Die Schlangenmenschen posierten hoch aufgerichtet und aufmerksam vor den drei Galgen in einer Reihe.

„Meine Flöte bitte!“, forderte Idan.

„Oh, Entssuldigung! Vergessliss wie iss bin!“, seufzte der König auf. „Ssss! Sssss! Ssssss! Sssssss!“, pfiff er verlegen vor sich hin. Er befahl einem Leibwächter, zur Schlossburg zu eilen und aus dem Arbeitszimmer Schlankerlis die Blockflöte zu holen, die er dort zum Andenken an den wundersamen Knaben aufbewahrt hatte. Der Diener fand sie nicht gleich und musste den Weg einige Male machen. Und mit jeder neuen, ergänzenden Erklärung des Königs kam er der Sache um einige Schritte näher. Doch waren die Erläuterungen Schlankerlis leider nicht in allen Punkten ausreichend, denn der Knecht war ein wenig schwer von Begriff und hatte das meiste wieder vergessen, wenn er oben im Königsgemach angelangt war. Schließlich schrieb Schlankerli dem Knecht die Position der Blockflöte auf, aber der Knappe konnte nicht lesen und so war es wieder nichts. Drauf verfertigte der König eine Zeichnung, aber der Knappe war dreidimensionales Denken nicht gewohnt und konnte die Gegenstände auf der Zeichnung nicht mit den realen Objekten im Arbeitszimmer des Königs in Verbindung bringen. Am Ende eilte der König selbst von dannen. Nach einer Stunde kam er zurück. So waren inzwischen viele Stunden vergangen. Das Schlangenvolk, das begierig auf das zierliche Flötenspiel gewartet hatte, war mittlerweile ermüdet und viele von ihnen an allen Orten des Landes der gespannten Erwartung wegen in eine Art Trance verfallen. Manch einer war zuhause unter seinen Kopfhörern eingeschlafen und in den Reihen der vor dem Galgenplatz Wartenden waren viele in eine gelähmte Erstarrung gefallen. Endlich – es war schon Abend geworden – überreichte König Schlankerli persönlich dem kleinen Idan seine Blockflöte. Dieser prüfte sie, spitzte die Lippen und blies sie einmal kurz durch. Allein schon dieses Lippenspitzen des Jungen erregte das allgemeine Aufwallen einer Begeisterung, die wie ein magisches Licht aus den Augen der Zuschauer strahlte. Noch niemals hatte ein Schlangenmensch die Lippen gespitzt, um einer Flöte Töne zu entlocken. Dazu waren Schlangenmenschen gar nicht fähig. Es war für viele ein unbeschreibliches Wunder. Dann aber fing der kleine Idan an zu spielen. Er begann mit einer Melodie, die der König Schlankerli schon kannte, und Äffchen begleitete ihn mit kehliger Stimme. Die Schlangenmenschen begannen sich rhythmisch zu wiegen und ihre Wirbelsäulen schlängelten sich im Wechsel der Töne. Jetzt änderte Idan allmählich sein Lied. Die wogenden, zuckenden Bewegungen der Wirbelsäulen übertrugen sich unmerklich auf die Arme und schließlich auch auf die Beine der Schlangenmenschen. Die Arme verlängerten sich, verschlangen sich ineinander und bildeten am Ende Knoten ganz in der Nähe der Achselhöhlen, Knoten, die sich nicht mehr lösen konnten. Genau dasselbe geschah mit den Beinen. Solches aber widerfuhr dem ganzen Schlangenvolk im ganzen Schlangenland. Denn alle verfolgten sie Idans Flötenspiel über Kopfhörer und Schallverstärker. Niemand wollte sich die Sensation entgehen lassen, die darin bestand, dem Flötenspiel eines Menschenjungen zu lauschen, der so fein die Lippen spitzen konnte und kurz vor der Hinrichtung stand. Ein menschliches Wesen also, das angesichts des Todes sein Letztes gab, um sich zum Ausdruck zu bringen.

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