Читать книгу Katharina die Große. Legitimation durch Reform und Expansion онлайн

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Dieses Reich war das größte Flächenland der Welt, und seine Herrscherinnen und Herrscher kannten es nur wenig: Die bedeutenden Expeditionen nach Sibirien, die noch Peter der Große veranlasste, dienten etwa dazu, Kenntnis über das Reich, seine Menschen und seine naturräumliche Gestalt zu erhalten. Zwischen 1720 und 1727 bereiste der deutsche Mediziner Daniel Gottlieb Messerschmidt (1685–1735) West- und Zentralsibirien. Die Erste und Zweite Kamčatkaexpedition (1728–1730 bzw. 1733–1743) waren Forschungs- und Entdeckungsreisen unter der Leitung des Marineoffiziers Vitus Bering, deren Teilnehmer Sibirien erforschten, die nördlichen Küsten des Russischen Reiches vermaßen und Seewege vom ostsibirischen Ochotsk nach Nordamerika und Japan erkundeten.4 Die Informationen, die auf diesen und anderen Expeditionen über die Zahl und Lebensweise der Völker gewonnen wurden, führten zu etwas genaueren Vorstellungen, wie dieses Reich sich zusammensetzte, funktionierte und wie es zu entwickeln sei.

Russland war ein multiethnisches und multireligiöses Imperium. Nach in ihrer Zuverlässigkeit umstrittenen Schätzungen lebten 1719 etwa 16 Millionen Menschen, um 1750 aber schon etwa 25 Millionen und am Ende der Herrschaft knapp 38 Millionen Menschen im Russischen Reich:5 Viel als absolute Summe, wenig mit Blick auf die Fläche. In Teilen war Russland eine monarchia mixta, ein Herrschaftsgebiet mit durchaus unterschiedlichen Rechtsverhältnissen und jeweils verschieden verfassten Untertanenschaften. Der gemeinsame Bezug war die Autokratie, die das bindende Element darstellte.6 Davon konnte sich die nach Moskau reisende Sophie Friederike einen ersten Eindruck verschaffen. In Reval stieß sie auf eine Stadt mit einer ganz anderen Tradition und Stadtverfassung als in St. Petersburg oder in russischen Provinzstädten. Während die Selbstverwaltung der Städte des Baltikums auf den Traditionen mittelalterlicher Stadt- und Handelsrechte beruhte, kannten Städte seit den Städtereformen Peters I. am Beginn des 18. Jahrhundert zwar Begrifflichkeiten wie Magistrate oder Bürgermeister. Doch Selbstverwaltung und Autonomie kannten sie kaum.7

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