Читать книгу Katharina die Große. Legitimation durch Reform und Expansion онлайн

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Die ersten Adligen, denen die Zerbster Prinzessin begegnete, stammten aus den Ritterschaften des Baltikums.8 Sie gehörten zu jenen Adelsgruppen, die ihre fortgeschriebenen Privilegien, was ständische Rechte und Schutz des Protestantismus anging, zu behaupten suchten. Sie waren nicht die einzigen Gruppen mit Sonderrechten. Die Kosakenverbände, etwa das erwähnte Hetmanat, aber auch am Don und am Jaik, genossen Autonomie.

Von St. Petersburg nach Moskau9 aber reiste Sophie durch von Russen besiedelte Gebiete und hier mochte sie einen ersten Eindruck von der Orthodoxie als Bestandteil der russischen Lebenswelt bekommen haben. Die russische Bevölkerungsmehrheit des Imperiums war orthodox, ihre Kirche vielleicht die einzige Institution, die den Staat in der Fläche repräsentierte. An den Peripherien des Reiches lebten aber auch Millionen von Untertanen, die sich nach der Kirchenspaltung (raskol) um die Mitte des 17. Jahrhunderts den sogenannten Altgläubigen zurechneten. Im Wolga-Kama-Raum lebten muslimische Ethnien, die nach der Eroberung Kazans 1552 durch Ivan IV. Groznyj unter die Herrschaft der Zaren geraten waren – muslimische nomadische Baschkiren sahen sich orthodoxen Kolonisten gegenüber.10 In Sibirien und im hohen Norden existierte zumindest bis weit ins 18. Jahrhundert hinein nicht nur der Doppelglaube (dvoverie), das Nebeneinander von naturreligiösen und orthodoxen Traditionen, sondern lebten Jakuten und Kamčadalen pagan.11 Unter Kalmücken und Tuwinern war der Buddhismus verbreitet. Mission durch die orthodoxe Kirche konnte also aus der Sicht des Staats ein Vorantreiben von Territorialisierung bedeuten, stieß aber, als sie etwa in der Zeit der Kaiserin Elisabeth im Wolga-Kama-Raum intensiver betrieben wurde, auf Widerstand.12 In der Regel dominierte ein pragmatischer Umgang mit religiöser und ethnischer Differenz. Eine Ausnahme sei genannt: In Russland gab es keine nennenswerte jüdische Bevölkerung, sondern es existierte ein verbreiteter Antijudaismus. Kaiserin Elisabeth selbst war ein Beispiel dafür.13

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