Читать книгу Katharina die Große. Legitimation durch Reform und Expansion онлайн

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Umso gespannter wartete sie auf die Ergebnisse des Wettbewerbs der Freien Ökonomischen Gesellschaft: Aus der Perspektive Katharinas war das Resultat ernüchternd. Zwar gingen 164 Einsendungen ein, doch nur eine verschwindend geringe Zahl stammte aus der Feder von Russen.19 Mehrere Beiträge kamen aus den baltischen Provinzen, unter anderem von Johann Georg Eisen und Timotheus von Klingstedt. Es zeigte sich, dass kaum ein russischer Beitrag ein Eigentum der Bauern oder gar die persönliche Freiheit der Leibeigenen befürwortete, wie dies in einigen ausländischen Einsendungen gefordert wurde. Bemerkenswert für die kulturell-akademische Ausstrahlung St. Petersburgs und der neuen Gesellschaft ist jedoch das Maß an Vernetzung, das zwischen den beteiligten Akademien in Kopenhagen und St. Petersburg oder den ökonomischen und gelehrten Gesellschaften in Riga und Glücksburg bestand. Die Transferwege von den Zentren der französischen, britischen und deutschen Aufklärung nach Kopenhagen, Stockholm, Warschau, Riga, St. Petersburg oder Moskau funktionierten und konsolidierten sich auch über diesen Wettbewerb.20 Dass Katharina II. die baltische Variante der Aufklärung rezipierte, wiewohl sie über ausgezeichnete Verbindungen direkt nach Paris, Göttingen und Halle verfügte, erstaunt weniger als die Tatsache, dass gerade über die Agrarfrage ein Austausch zwischen Kopenhagen und St. Petersburg stattfand, dass Preisschriften an den dänischen König geschickt wurden und dass der in dänischen Diensten stehende Georg Christian Oeder nicht nur einen Wettbewerbsbeitrag, sondern auch gesammelte dänische Publizistik zur Agrarfrage nach Russland sandte. Johann Georg Eisen etwa verwies in seinen Traktaten immer wieder auf schwedische und dänische Beispiele zur Agrarverfassung.21 Die Beteiligten schöpften aus dem gleichen Fundus an aufgeklärter Literatur, seien es Quesnay, Justi oder Kant, tauschten sodann jedoch ihre jeweils landesspezifischen Adaptionen aus. »Die Leibeigenschaft contrastirt zu sehr mit dem Geist des Zeitalters«,22 um es in einer Stimme der Aufklärung zusammenzufassen, und auf diese Lesart konnte man sich unter gebildeten Aufklärern rund um die Ostsee einigen. Das Auseinanderklaffen von Projekt und Realität war diesem Diskurs jedoch ebenso immanent wie die Auffassung, mit rational-wissenschaftlichen Auseinandersetzungen positiv verändernd wirken zu können.

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