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In seinem Logis legte sich Phil auf die Pritsche und sah an die Zellendecke hinauf. Er neigte nicht zum Hadern. Im grossen Ganzen vermied er es, über sein Leben nachzudenken. Ein Psychiater hatte einmal zu ihm gesagt, er sei ein Meister im Verdrängen. Na und? Er schmiedete eben lieber Zukunftspläne als über die Vergangenheit zu grübeln, die er ohnehin nicht ändern konnte. Er war mit seinem Leben eigentlich ganz zufrieden. Auch wenn ein paar Dinge dumm gelaufen waren. Das mit seiner Mutter zum Beispiel und das mit dem alten Caduff, doch darüber wollte er sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Die Sache, deretwegen er jetzt acht Monate sitzen musste, hätte eine Erfolgsstory werden können. Doch der Crash hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Reines Pech. Sein Chef bei der Bank Wittmann hatte gefunden, er habe Talent, und hatte ihn energisch gefördert. Bald liess er Phil die Depots einiger vermögender Privatkunden verwalten. Einer hielt grosse Stücke auf ihn und liess ihm in der Bewirtschaftung seines Portfolios freie Hand. Phil hatte ihm nämlich einmal eine Hightechaktie und einen EmergingMarkets-Fonds empfohlen, die beide innert Wochen um vierzig Prozent gestiegen waren. Das hatte dem Kunden gewaltig imponiert. Dass Phil kurz darauf auf dessen Depot fast Zweihunderttausend Verlust einfuhr, konnte man ihm bestimmt nicht ankreiden. Das war die Börse gewesen, hätte jedem passieren können. Nur hatte er dummerweise die Idee gehabt, seinem Mandanten den Verlust zu verschweigen. Er wollte ihn nicht beunruhigen. Über Wochen und Monate vertröstete er ihn mit optimistischen Prognosen, schickte ihm beschönigte Depotauszüge und auch sonst nicht ganz einwandfreie Dokumente. Derweil spekulierte er mit den in seinem Depot verbleibenden Werten weiter. Einzig in der Absicht, den erlittenen Verlust wettzumachen. Er hoffte die ganze Zeit, nein, er war absolut überzeugt, dass er seinem Mandanten schliesslich einen fetten Gewinn werde präsentieren können. Denn die Anerkennung dieses Kunden war Balsam für seine Seele. Er hatte bei ihm das Image eines gewieften Börsencracks, und das wollte er auf keinen Fall verlieren. Wie hätte der Kunde sich gefreut, wenn sich der Wert seines Depots verdoppelt hätte! Dumm gelaufen war es dann bloss insofern, als am Schluss nichts mehr übrig blieb, womit er hätte spekulieren können. Resultat: Totalverlust, mehr als zwei Millionen Franken. Betrug war es nicht, das bestätigte man ihm vor Gericht ausdrücklich. Er hatte keinen Franken in die eigene Tasche abgezweigt. Selbst der Staatsanwalt staunte: «Sie hatten ja nicht einmal etwas davon. Wieso tun Sie denn so etwas?» Nun, im psychiatrischen Gutachten stand etwas von Geltungsdrang. Vielleicht auch von Geltungssucht. In einem späteren Gutachten, das wegen der anderen Sache in Auftrag gegeben worden war, hiess es, er leide an gelegentlichen dissoziativen Zuständen. Einerlei, er wurde bloss wegen Urkundenfälschung und ähnlichen Delikten verurteilt. Und zwar zu einer bedingten Haftstrafe. Ausserdem wurde ihm eine Psychotherapie aufgebrummt. Dummerweise passierte ihm während der Bewährungsfrist die andere Panne: Er schlug einem, der ihn einen Hurensohn schimpfte, die Nase ein. Der Richter hätte ihm eine weitere bedingte Strafe auferlegen können. Aber er stufte ihn als unverbesserlich ein, ortete Rückfallgefahr und verweigerte ihm den bedingten Vollzug. So musste er jetzt eine Gesamtstrafe von zwölf Monaten absitzen. Gottseidank bloss in Halbgefangenschaft. Die Psychotherapie konnte deshalb ambulant erfolgen. Irgendwann würde er Zangger um einen wohlwollenden Bericht bitten. Ein Drittel der Strafe würde ihm bestimmt erlassen werden, denn er hielt sich im Knast vorbildlich. Toggweiler würde ihm bestimmt das allerbeste Zeugnis ausstellen.

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