Читать книгу Handbuch der Poetik, Band 1. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Dichtkunst онлайн

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Alle lediglich materielle Schilderung und Darstellung ist tot — oder doch, im besten Falle, nur matt, insofern ja freilich auch schon mit der bloßen Reminiszenz bei der Aufzählung von gewissen Naturgegenständen, und noch mehr mit dem Anblick ihrer Nachbildung, sich Regungen wohlgefälliger Empfindung, und zwar mitunter in ganz bestimmter Ausprägung, verknüpfen können.3 Ein höchst anmutiges Beispiel derart ist Uhlands "Lob des Frühlings":


Saatengrün, Veilchenduft,

Lerchenwirbel, Amselschlag,

Sommerregen, linde Luft!

Wenn Ich solche Worte singe,

Braucht es dann noch großer Dinge,

Dich zu preisen, Frühlingstag?


Ist hier auch freilich durch die zweite Strophe der Empfindung noch bestimmter die Richtung angewiesen, so entsteht doch das eigentlich sie erregende Bild durch die bloße, rhythmisch geschmückte Aufzählung einfacher Naturdinge.

Aber ihre eigentliche und höchste Wirksamkeit erhält die künstlerische Naturdarstellung doch nur, sobald sie psychisches Leben atmet, d. h. also, sobald sie dem Dichter lediglich das Mittel für den Empfindungsausdruck ist; je gesunder und reicher diese Empfindung ist, und je bestimmter er sie nachahmend zu erwecken weiß, desto vollkommener ist sein Gedicht. Das erreicht er, indem er den Naturgegenständen die Analogie des Empfindens, Wollens und Handelns leiht, wodurch er sie in unmittelbaren Rapport mit dem ganzen Reich unsers eigenen seelischen Lebens setzt, und sie eben damit in jene menschliche "des Ideals fähige" Sphäre erhebt.

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