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Eine explizite Theorie der Leibeserziehung wurde, aufbauend auf den reformpädagogischen Arbeiten der 1920er Jahre, nach dem Zweiten Weltkrieg in Österreich und der Bundesrepublik Deutschland in den 1950er und 1960er Jahren entworfen und auf breiter Grundlage diskutiert. Name und Inhalte dieser Debatte um Aufgaben, Ziele, Inhalte, Methoden und nicht zuletzt um den kulturellen Stellenwert der Leibeserziehung verbreiteten sich seitdem in aller Welt. Die 1956 in der Bundesrepublik von Sportverbänden, Bund, Ländern und Gemeinden verabschiedeten »Empfehlungen zur Förderung der Leibeserziehung an den Schulen« stehen für den in den ersten Nachkriegsjahrzehnten wieder erreichten gesellschaftlichen Konsens über Leibesübungen und Leibeserziehung an den Schulen. Leibeserziehung sollte mehr sein als ein Unterrichtsfach, sondern ein Prinzip der Erziehung im Ganzen darstellen.

2.5 Körperliche Erziehung im Nationalsozialismus und in der DDR

Ein Grund für den Paradigmenwechsel in den späten 1960er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland sowie – mit Abstrichen – ebenso in der Schweiz und in Österreich von der Leibeserziehung zur Sportpädagogik und zum Sportunterricht lag auch darin, dass der Begriff Leibeserziehung durch seine politische Instrumentalisierung im Dritten Reich kaum noch tragbar war. Da eine grundlegende öffentliche und schließlich auch wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in der Bundesrepublik erst seit den 1960er Jahren einsetzte, erfolgte erst vergleichsweise spät, um das Jahr 1970, eine Distanzierung von dem nun in Deutschland als historisch belastet empfundenen Begriff Leibeserziehung. Grundlegend für diese Aufarbeitung der Geschichte des Sports und der körperlichen Erziehung im Nationalsozialismus wurde die 1966 von Hajo Bernett zusammengestellte und kommentierte Dokumentation der Nationalsozialistischen Leibeserziehung (Bernett, 1966; Neuauflage 2008). Von diesem Buch ausgehend entwickelte sich eine intensive Diskussion über den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in Turnen und Sport.


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