Читать книгу Kunst des Lebens, Kunst des Sterbens. Wie wir den Traum von Ich und Welt mit Achtsamkeit, Mitempfinden und offenem Gewahrsein meistern und befreiende Luzidität erlangen können онлайн

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Aber gleichzeitig ist in uns der berechtigte Verdacht, dass diese Kon­struktion sehr zerbrechlich ist. Wir identifizieren uns gewohnheitsmäßig und ganz selbstverständlich mit den fünf Komponenten oder »Skhandas« unseres Erlebens, das heißt also mit unserem Körper, unseren Empfindungen, unseren Gedanken, mit dem, was wir mögen und nicht mögen oder wollen, und mit dem Bewusstsein, das diese Erlebnisse verarbeitet. Hierbei ergreifen wir vor allem unser Denkbewusstsein, obwohl es selbst ja nur eine Wahrnehmung ist, fälschlicherweise als den Wahrnehmenden. Dieser Wahrnehmende sagt: »Ich habe das so oder so empfunden.« Dieses Ich sagt: »Ich finde das gut.« Oder: »Ich finde das nicht gut, weil …« Und so weiter.

Nun wird die Identifikation mit dem Körper belastend und erzeugt Leid, wenn wir eine schiefe Nase haben oder wenn wir altern und unser Bild im Spiegel immer mehr Falten bekommt, während unsere Identifikation mit Vorstellungen belastend und anstrengend, ja beängstigend und leidvoll wird, wenn diese infrage gestellt oder kritisiert werden. Das Leben arbeitet mit seiner Vergänglichkeit immer daran, uns zu enttäuschen und uns jeden falschen Halt zu nehmen. Und unsere innere Weisheit, die nicht zulässt, dass wir uns selbst betrügen, und die uns nicht erlaubt, in Lüge und Unwahrheit oder falschem Handeln Ruhe zu finden, zeigt uns mit Unzufriedenheit und seelischer Unruhe, dass etwas in uns nicht stimmt und nicht mit dem »Sinn«, dem »Tao« in Einklang ist. Auf diese Unzufriedenheit über das eigene Leben oder »Dukkha« können wir reagieren. Wir können sie verdrängen und versuchen, sie mit mehr Aktivitäten und Zerstreuungen zu überdecken, und damit vor uns selbst fliehen. Doch dadurch wird die Spannung der Grundangst eher verstärkt. Je mehr man verdrängt und sich verteidigt, umso dicker ist der Panzer, in dem man sich eingeschlossen wähnt, und umso größer die Verletzlichkeit und Angreifbarkeit.

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