Читать книгу Kunst des Lebens, Kunst des Sterbens. Wie wir den Traum von Ich und Welt mit Achtsamkeit, Mitempfinden und offenem Gewahrsein meistern und befreiende Luzidität erlangen können онлайн

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Nach Buddhagosha, dem Verfasser des Vishuddhimagga, des »Pfads der Reinheit«, gibt es nur zwei meditative Praktiken, die jederzeit, überall und in den verschiedensten Situationen der inneren Entfaltung förderlich sind. Diese sind erstens die Kultivierung des unendlichen Wohlwollens für alle Wesen durch den Gedanken »Mögen alle Wesen glücklich sein« und zweitens das Gewahrsein der Vergänglichkeit und die Erinnerung des Todes. Auch wenn dies dem normal weltlichen Empfinden zuwiderläuft, oder besser gerade deswegen, verhilft uns die wache Achtsamkeit auf das, was gerade ist, dazu, in jedem Augenblick präsent und lebendig zu sein und nicht in einer eingebildeten, konzeptuellen Vergangenheit oder Zukunft zu leben.

Wenn wir uns betrachtend und kontemplativ mit Vergänglichkeit sowie mit dem Prozess des Sterbens und dem Postmortem vertraut machen, so tun wir dies mit einer Achtsamkeit, die aller dabei aufsteigenden Emotionen, auch der Angst zu sterben, gewahr ist und können dadurch immer tiefere Schichten des Unbewussten erkunden und belichten. Wir verstehen daraus, dass das Beängstigende eigentlich nicht das Sterben und der Tod ist, sondern die falsche Vorstellung, die wir davon haben. Indem wir uns bewusst in das Szenario des Sterbens versetzen, können wir experimentell die Angst vor Kontrollverlust und vor dem Unbekannten kontaktieren und zulassen und gleichzeitig erfahren, dass der Spiegel unseres Gewahrseins von jeder Erfahrung unverändert bleibt. Wir entdecken unsere Unsterblichkeit, wenn wir unser Sterben und Geborenwerden beobachten. Der tibetische Buddhismus hat die therapeutische Technik der Exposition im Rahmen von Fantasiereisen und kreativer Visualisationen bereits mehr als tausend Jahre vor deren Wiederentdeckung in der modernen Psychotherapie angewandt.

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