Читать книгу Das Rennen gegen die Stasi. Die Geschichte des Radrennfahrers Dieter Wiedemann онлайн

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Die meisten Menschen in Ostdeutschland verstanden sehr wohl, dass sie in einem sowjetischen Satellitenstaat lebten, auch wenn der Name DDR etwas anderes nahelegen wollte. Man hatte ihnen Frieden versprochen, und doch wurden elf Prozent des Staatshaushalts für die Militarisierung ausgegeben. Weitere zehn Prozent flossen in Form von Reparationen direkt nach Moskau, derweil die fortschreitende »Sowjetisierung« der Gesellschaft in einer flächendeckenden Kollektivierung von Bauernhöfen und Unternehmen zum Ausdruck kam. Wirtschaftlich drehte sich alles um die Schwerindustrie, was zur Folge hatte, dass die Regale in den Geschäften immer öfter leer blieben. Lebensmittelknappheit stellte sich ein, selbst grundlegende Dinge wie Elektrizität waren rationiert. Der Kommunismus, als Gegenmittel gegen Imperialismus und Völkermord gepriesen, verlangte den Menschen im Alltag sehr reale Opfer ab. Der Preis, den sie bezahlten, war hoch, aber vielleicht noch deprimierender war das wachsende Gefühl, verschaukelt worden zu sein. Man hatte ihnen ihre Selbstbestimmung genommen, sie waren zu Marionetten Stalins degradiert worden. Der sowjetische Diktator, der sich als »Gärtner im Garten des Volkswohls« hatte feiern lassen, starb zwar im März 1953, doch in Ostdeutschland trug die Saat der Desillusionierung längst gallebittere Früchte. Während die sechste Austragung der Internationalen Friedensfahrt nahte, war klar, dass etwas passieren musste, und zwar bald.

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