Читать книгу Das Rennen gegen die Stasi. Die Geschichte des Radrennfahrers Dieter Wiedemann онлайн

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Nach der Schlussetappe in Prag, als alle zum Aufbruch Richtung Heimat drängten, war Frieße plötzlich unauffindbar. Klaus Huhn, ein 22-jähriger Sportjournalist beim Neuen Deutschland, wurde losgeschickt, um ihn zu suchen. Nach langer, hartnäckiger Suche stöberte er Frieße schließlich auf: Es war bereits nach Mitternacht, und er fand den Mechaniker in einer Kneipe;sichtlich betrunken und bester Laune saß er dort mit seinem polnischen Kollegen zusammen. Als Metapher für das, was die Friedensfahrt bedeuten sollte, war diese Episode geradezu perfekt, und Huhn gab sein Bestes, dass sie ihren festen Platz im kollektiven Gedächtnis der Ostdeutschen erhielt. Schon zwei Jahre später würde Klaus Huhn der Sportchef des Neuen Deutschlands sein und er würde später auch zu einem der einflussreichsten Ideologen des Blattes werden.

Warschau–Prag hatte binnen zehn Tagen etwas erreicht, was die Parteifunktionäre der SED und ihre sowjetischen Zahlmeister jahrelang vergeblich versucht hatten. Die Anerkennung als eigenständiges Land und souveräne Nation spielte eine entscheidende Rolle, wollte man eine neue ostdeutsche Identität schaffen und bei der nach zwei Jahrzehnten ideologischer Brutalität zutiefst verunsicherten Bevölkerung wieder ein Gefühl von Patriotismus hervorrufen. Dass es nun einem schnöden Sportereignis wie einem Radrennen (und nicht einem Diplomaten in offizieller Mission) tatsächlich gelang, so etwas zu wecken, konnte niemand übersehen, nicht einmal die Partei selbst. Und so fand der Gedanke, dass die besten Athleten aus der DDR sportliche Botschafter ihres Landes sein könnten, immer mehr Anklang in den Köpfen der Mächtigen in Ost-Berlin. Es dauerte nicht lange, und die Idee, die später mit der Redensart von den »Diplomaten in Trainingsanzügen« auf den Punkt gebracht wurde, inspirierte die DDR, das nächste Manöver in einem sportlichen Kalten Krieg zu starten, der rasch zu eskalieren begann.

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