Читать книгу Soziale Arbeit in der Justiz. Professionelles Selbstverständnis und methodisches Handeln онлайн
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Hans Thiersch versteht seinen Lebensweltansatz nun in der Weise, dass er die traditionelle Hermeneutik »im Kontext der kritischen Alltagstheorie reformuliert und auf heutige sozialpädagogische Fragestellungen bezieht« (Thiersch 2002, 168, zit. in Erath & Balkow 2016, 189). Mit seiner (gesellschafts-)kritischen Alltagstheorie bezieht sich Thiersch auf die »Kritische Sozialpädagogik«, die in der Tradition von Klaus Mollenhauer steht.
Bezogen auf die Alltags- und Lebenswirklichkeit der heutigen Menschen stellt Thiersch fest, dass Lebensbewältigung angesichts der herrschenden Verhältnisse in der Selbstbehauptungsgesellschaft für immer mehr Menschen zum Problem wird. Zwar suggeriert der Sozialstaat, er würde umfassend versorgen, ohne dass die*der Einzelne Leistung, Disziplin, Zuständigkeit für die eigenen Verhältnisse einbringt, hinter dieser Fassade verbergen sich aber klare wettbewerbliche Prämissen, wie z. B. die Ideologien: »Leistung muss sich lohnen« oder »Unwille zur Leistung darf nicht hingenommen werden«, woraus dann im Letzten klar hervorgeht: Wenn Disziplin und Ordnung fehlen, greift auch der Wohlfahrtsstaat zu Ermahnungen und Strafen (Thiersch 2002, 21). Der für die soziale Marktwirtschaft prekäre Kompromiss zwischen Leistungsgerechtigkeit und sozialer Gerechtigkeit »verliert sich« (ebd.), die Gesellschaft spaltet sich in diejenigen, die dazu gehören und diejenigen, die nicht mithalten können. Im Kampf um knappe Ressourcen werden die Verlierer nicht nur in Ghettos abgedrängt, sondern auch noch als ›Schmarotzer‹ gelabelt. Thiersch schreibt quasi als seine ›Zeitdiagnose‹: